Denkmale im Fokus des Zeitgeistes
Erich Busse, Pfarrer im Ruhestand, führt durch die Geschichte des Denkmals der letzten 200 Jahre beim Hoyerswerdaer Kunstverein.
"Der Turmbau zu Babel" ist eine Geschichte aus dem Alten Testament. Sie erzählt, wie Menschen, denen es gut geht, übermütig werden, sich einen Turm bis in den Himmel bauen und sich selbst als Gott ähnlich feiern. Um diesem Treiben ein Ende zu setzten, verwirrt Gott ihre Sprache, so dass keiner mehr den anderen versteht, und sie zerstreuen sich in alle Welt. Das Wort Babel wird zum Synonym für Verwirrung durch Größenwahn und Machtrausch.
Erich Busse argwöhnt nun, dass trotz allem Verwirrtsein die Erbauer des Turmes das Andenken an dieses gigantische Vorhaben über Jahrtausende in Erinnerung behalten haben. Kritisch und geistreich führt er durch die Geschichte der Denkmale, die bis in unser Jahrhundert an den Turmbau von Babel erinnert.
Beispiele hierfür findet Erich Busse reichlich. Der rumänische Diktator Ceausescu lässt das römische Siegesdenkmal für den Kaiser Trajan aufwendig ausgraben und restaurieren und sieht sich selbst als Nachfolger von Kaiser Trajan.
Napoleon kürt sich selbst zum Kaiser und gibt 10 Gebote heraus: Ich bin Napoleon, euer Gott. Ihr sollt keine fremden Herrscher neben mir haben... ihr sollt töten, so viel ihr nur könnt. Trotz verlorener Schlachten wird nach 1806 am Triumphbogen in Paris weiter gebaut, zur Verherrlichung von Siegen, obwohl Napoleon bereits untergegangen war. Keiner findet das merkwürdig.
Ebenso makaber ist es, wenn in einem deutschen "Michaelisbüchlein" Gebete für Soldaten den Krieg verherrlichen und der Kaiser Gott gleich gestellt wird. Das Gebot "Du sollst nicht töten" gilt nicht im Krieg! In hunderten von Denkmalen beschützen Engel die Soldaten und segnen Krieg und Sieg. Keine Kirchenbehörde schreitet ein.
Spektakuläre Monumente im Deutschland des 19.Jahrhunderts zeugen ebenfalls von diesem Geist, das Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck in Koblenz, die unzähligen Bismark-Türme, das Kyffhäuser-Denkmal im Harz, das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, das Hermanns-Denkmal im Teutoburger Wald, das Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica und, und, und. Als aufmerksamer Besucher spürt man vor Ort keinerlei freundliche Atmosphäre, eher eine, die frösteln macht ob der vielen Schwerter und nackten Krieger.
Eine Wende tritt erst im ersten Weltkriegs ein, als das Denkmal im wahrsten Sinn des Wortes zum Denk mal! wird. Bestes Beispiel hierfür ist das "Trauernde Elternpaar" von Käthe Kollwitz für den Friedhof in Flandern mit über 25.000 toten deutschen Soldaten. Sie gestaltet es nach dem Tod ihres Sohnes Peter, der als begeisterter Freiwilliger in den 1. Weltrieg ging: Die Mutter, eine gebrochene, anklagende Frau, der Vater völlig verstört, er wehrt sich, den Sohn zu beweinen, der für "Volk und Vaterland" starb. Das Nachdenken drängt sich förmlich auf.
In der Zeit nach 1933 wachsen die Monumentalbauten wieder ins Monströse und nach 1945 erscheinen im Osten Deutschlands übergroße Bilder von Lenin und Stalin, in der Bundesrepublik baut man das mächtige Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck wieder auf, mit Blick auf die verlorenen Länder in Thüringen und Schlesien. Erich Busse spart nicht mit bitterböser Kritik für beide deutsche Staaten.
Heute finden wir Denkmale in Form von Stolpersteinen, die an den Holocaust erinnern. Der Künstler Gunter Demnig baute sie zu zig-Tausenden im Pflaster vor ehemaligen Wohnstätten von Opfern des Nationalsozialismus ein. Stolpern werden nicht unsere Füße, sondern unser Denken, wenn wir wirklich hin sehen und lesen: Name und Geburtsjahr, wann deportiert und wohin, wann getötet und wo. Manchmal hat einer überlebt. Fragt man sich allerdings, wie?