Zeitgeschehen wird zur Kunst
Helene Schmidt, Heidrun Dietrich und Martin Schmidt gestalten eine Matinee zur Literatur in und über Hoyerswerda beim Kunstverein
Ein Sammelsurium von Künstlern, deren Dichtungen am Ende einen harmonischen Reigen ergeben. So könnte man die Gesamtheit der kleinen literarischen Miniaturen nennen, die während der Matinee zu Gehör kamen und dem Publikum äußerst gut gefielen.
Jan Skala (1889-1945) beschreibt sein Bild der Lausitz am Beginn des 20. Jahrhunderts so: "...Westlich von Hoyerswerda erstrecken sich weite Kiefernwälder, ins Endlose scheinbar. Die Dörfer liegen darin weit verstreut, kleinere manchmal wie Bröthen oder Narth, hin und wieder ausgedehnte Ortschaften wie Schwarzkollm oder Tätschwitz . Altes sorbisches Land, sandig und arm... Über dieses Idyll brach vor einigen Jahrzehnten mit Eisenbahnen, Maschinen, Elektrizitätswerken, Braunkohlengruben, Dampfziegeleien das moderne Industriezeitalter herein."
In diesem Spannungsfeld siedeln die Dichter der Lausitz ihre Beiträge bis heute an, die Einheimischen ebenso wie die Zugereisten und Gäste. Der Zuhörer scheint sofort zu wissen, dass das alles genau so gewesen sein muss, nur könnte er es eben nicht so gut aufschreiben. Stimmt, denn Zeitgeschehen wird zur Kunst, wenn der Dichter es von der einfachen Dokumentation zur Poesie erhebt, wenn er seine Intentionen und Empfindungen mit Hilfe der Sprache dem Geschehen beigibt. Schon die Chronik von Salomon Gottlob Frentzel aus dem Jahr 1744 ist eine literarische Kostbarkeit, denn hier ist in der facettenreichen Sprache des Barock ..." von einer kurzen, jedoch richtigen Nachricht von der Stadt und Kurfürstlichen Standesherrschaft Hoyerswerda" zu hören, die vergnüglich zu lesen ist, vom Anfang der Stadt, von drei kleinen Häusern, Zu den drei Schenken genannt; nachdem sich diese Geschlechter vermehrt hatten, haben auch die Gebäude zugenommen bis ein Dorf, eine Stadt entstand. Von der Herrschaft der Teschen wird berichtet und vom Besuch ihres Bruders, des Bischofs von Krakau. Apropos Teschen: als Irina Liebmann "In Hoyerswerda im Kreis gefahren" ist , in den 90er Jahren, im alten und neuen Hoyerswerda, hat sie von einer Teschen viel gehört, aber im öffentlichen Raum kein einziges Bild gesehen, das fällt mir erst jetzt auf, sollte das nicht geändert werden?
Ähnlich wie Irina Liebmann beschreiben Ralph Giordano und Erich Loest ihre Eindrücke von der Stadt, mit Neugier auf die Bewohner, aber auch mit viel Ressentiments gegenüber einer ehemals "sozialistischen" Stadt, die in aller Welt als Synonym für Ausländerfeindlichkeit gilt und deren Fundament eine "Formation aus den Erdzeitaltern des Tertiärs und Quartärs ist, die Lausitzer Braunkohle", die unter einer sorbisch geprägten Landschaft liegt. Anregung genug für alle Dichter. Brigitte Reimann hat das besonders tiefgreifend und poetisch in ihrer "Franziska Linkerhand" getan, auf ihrer Suche nach der Synthese zwischen dem Nützlichen und dem Schönen einer neuen Stadt, die noch keine Geschichte hat. Dem Thema Geschichte spürt Uwe Jordan nach in seinen Erzählungen über Maikie, den Geschichtsmuffel, dessen Vater genervt ist von den Fragen des Sohnes zum Entstehen seiner Heimatstadt. Deshalb kauft er ein Buch mit dem Titel "Hoyerswerda". Leider ist das Buch Anlass für viele weitere peinliche Fragen, die Papi, der Fachmann für Stadtgeschichte, nicht beantworten kann. Warum muss man auch solche Bücher drucken, die den Kindern Gelegenheit geben, sich über ihre Eltern lustig zu machen? Die Kinder der Erbauer aber werden es sein, die die Geschichte der neuen Stadt schreiben, das Schlechte und das Gute, so wie Gerhard Gundermann: ... lieben streiten denken hass, das war egal, wir brachen auf, wir brachen ein, das war egal, warn alle tropfen nur aufn heißen stein, das war egal hier in hoywoy, nur eins war seltsam hier, das war hoywoy, das ist hoywoy, aber nur für uns.