Erwin Jöris – Erinnerungen eines Hundertjährigen - ein „Jahrhundertroman“
Verantwortliches Engagement in Berlin und Moskau, Zivilcourage, Zwangsarbeit, immer wieder Hoffnung und Verrat – prägen den Weg von Erwin Jöris, der in diesen Tagen seinen 100. Geburtstag feiert. Die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung und der Hoyerswerdaer Kunstverein laden am Donnerstag, dem 11. Oktober 2012, um 19 Uhr ins Schloss Hoyerswerda ein, dem Weg Erwin Jöris vom KZ Sonnenburg ins stalinsche Arbeitslager Workuta und zurück zu folgen. Der schweizer Historiker und Autor Dr. Andreas Petersen stellt sein neuestes Buch „Deine Schnauze wird dir in Sibirien zufrieren“- Ein Jahrhundertdiktat. Erwin Jöris - vorstellen. Es erschien im Sommer dieses Jahres und enthält Tonband-Interviews, Film- und Tonaufzeichnungen mit Erwin Jöris. Das Buch sei nicht nur „ein Jahrhundertdiktat“, „erzähle nicht nur die Lebensgeschichte von Erwin Jöris“, einem Berliner Kind, „sondern entwerfe ebenso ein Bild des vergangenen Jahrhunderts“, lautet die Empfehlung von Andrea Bahr, Bundesstiftung für Aufarbeitung. Erwin Jöris, geboren und aufgewachsen in Berlin-Lichtenberg, zum Tischler ausgebildet, schloß sich 1928 der Kommunistischen Jugend an, wurde 1933 im KZ Sonnenburg inhaftiert, emigrierte 1934 nach Moskau und lebte im berühmten Hotel Lux mit den führenden Personen des nationalsozialitischen Widerstands. Im Zuge der Moskauer Prozesse wurde E. Jöris 1937 verhaftet und ein Jahr später nach Deutschland ausgewiesen. Er kam ins Gestapo-Gefängnis und war 1940 – 45 Soldat im 2. Weltkrieg. In den Kämpfen um Halbe wurde er verwundet und geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1946 in die Sowjetische Besatzungszone zurückgekehrte. 1949 verurteilte ihn der NKWD zu 25 Jahren Arbeitslager in Workuta. 1956 entlassen, lebt er seither in der Bundesrepublik. Dr. Andreas Petersen, studierte in Zürich Allgemeine und Osteuropäische Geschichte und promovierte mit einer Arbeit über „Radikale Jugend“. Dr. Petersen, Dozent für Zeitgeschichte an der FH Nordwestschweiz und an der Freien Universität Berlin, ist u.a. Gründungspräsident des Forums für Zeitzeugen in Aarau. Der Historiker veröffentlichte bereits zahlreiche Bücher, vor wenigen Jahren „Black Box DDR“ Sein neuestes Buch wird geprägt von Erzählungen und Berichten des Erwin Jöris über sein bewegtes Leben, denen Dr. Andreas Petersen die jeweiligen Zeitereignisse hinzufügt, den geschichtlichen Gesamtzusammenhang herstellt. Sie zeigen Zivilcourage angesichts damaliger Gefahren und das politisch verantwortliches Denken und Handeln. „Dadurch“, sagt Ernest Wichner, der Leiter des Literaturhauses Berlin, „habe er nicht nur ein Geschichtsbuch, sondern auch einen Jahrhundertroman geschrieben.“ Zu diesem Gesprächsabend mit Lesung, Film- und Tonbeispielen sind alle Freunde der Geschichte herzlich willkommen. Martin Schmidt