„Skoki prez š“ - „Sprünge übers Sch“
Ein Blick auf das Spiel mit Sprache und Klang
im künstlerischen Schaffen der Sorben
Ein Spiel mit einzelnen Buchstaben, Wörtern, Sätzen und schließlich auch mit dem Inhalt ihrer Gedichte – das zeichnet die Schriftstellerin Róža Domašcyna aus. In einem ihrer Gedichte, das sie sorbisch „Skoki prez š“, deutsch aber “Sprünge übers Sch“ – Schneisenreiterei“ nennt, endet in der sorbischen Version jedes letzte Wort einer Zeile mit dem Buchstaben „š“: „njewotskociš – njepreskociš – zaborzdziš – njedoskociš – padnješ, bis es schließlich, sozusagen als ein Sprung über jenes „š“ in der letzten Zeile heißt: „... a wyše sy.“ . (Dieses Spiel mit dem sorbischen „š“, dem im Deutschen das „Sch“ entspricht, führt sie in ihrer Übertragung ins Deutsche formal bzw. strukturell nicht in der gleichen Art aus. Möglicherweise will sie darauf hinweisen, dass zwar eine inhaltliche Übersetzung von einer Sprache in die andere möglich ist, eine wortwörtliche Übertragung jedoch fragwürdig erscheint.).
Das Gedicht im strengen Metrum reizte den Komponisten Jan Cyž, den Versen nach Art der Moderne eine Musik beizugeben, die beispielhaft für den Stil „Musica nova“ ist. Variabel werden zwei Sprachen eingesetzt – neben der sorbischen auch die deutsche. Wie aber klingt eine Komposition für Sopranstimme mit Alt-Saxophon und auch Bass-Klarinette und dazu einem (besprochenes) Zuspielband? Notwendig ist für solch eine Interpretation in erster Linie eine profilierte Sängerin mit einem ausgeprägten Sinn für Mehrsprachigkeit. Diesem Anspruch entspicht die in Berlin und an anderen bedeutenden Orten wirkende Ungarin Anna Korondi auf jeden Fall. Ihr ausgezeichneter Partner auf der unlängst im Hoyerswerdaer Schloss stattgefundenen sonntäglichen Matinee war Gerold Gnausch von der Komischen Oper in Berlin. Das Experimentelle zwischen hoher Frauenstimme und einer gewagten Instrumentalkombination wirkte bei diesen beiden Interpreten ungekünstelt, ja sehr natürlich – und kann an dieser Stelle als gelungen angesehen werden. Weil aber der profilierte Berliner Interpret auf Klarinette und Saxophon und der sorbische Komponist schon viele Jahre eng zusammen arbeiten, können sie sich problemlos darüber verständigen, was spieltechnisch zu meistern ist und was sozusagen gegen die entsprechenden Instrumente konstruiert ist. Auch die ebenso ausgezeichnete Sopranistin hatte keine Schwierigkeit, den Herausforderungen zu entsprechen. Denn Sprünge in der gebundenen Sprache ziehen ja auch musikalische Sprünge nach sich, wenn das Werk eine künstlerische Einheit erreichen soll.
Auf dem Programm stand neben der Uraufführung auch das immer wieder prägnant wirkende Stück von J. Cyž „Žedzenje“ (Sehnsucht) auf einen Text von Jan Lajnert. Das Lied ist für Sopranstimme und Sopran-Saxophon geschrieben. Der Komponist geht mit diesem älteren literarischen Material natürlich wiederum ganz anders um. Das „Joy-Stück I“ für Soloklarinette erweckt jedoch schon wegen seines Titels Aufmerksamkeit. Ja, der heutigen Musiker weiß ebenfalls mit der elektronischen Datenverarbeitung umzugehen und so denkt er nolens volens auch in diesen Kategorien. Dabei sind Verfremdungen der Bedeutungen bei Cyž typische Merkmale. Dazu wurde als logischer Kontrast das Werk von Juro Metšk „SENZA“ gegenübergestellt.
Róža Domašcyna hat aber die Sprünge zwischen verschiedenen Sprachen mit dem Rezitieren anderer ihrer Werke weiter geführt. Erst neulich erschien in Meißen eine weitere Auswahl ihrer Gedichte ter dem Titel „Das Zündblättchen“. Daraus las sie Ausschnitte. Das Muster von Sprüngen auf dem Feld der Sprachen wurde aber noch deutlicher an den vorgelesenen Beispielen von Übersetzungen. Von den uns Sorben gut bekannten tschechischen Schriftsteller Milan Hrabal trug Domašcyna ebenso einige Neuigkeiten vor, wie sie auf Übersetzungen ins Sorbische und Deutsche des slowakischen Literaten Jan Zambor, der in Bratislava lebt und wirkt, verwies.
Obwohl der Zutritt zu den heutigen Gedichten wie zur Musik der Klassischen Moderne für das Publikum nicht immer leicht ist – vielmehr scheint es so, dass diese Kunst, die zugleich eine Interpretation unserer Zeit darstellt, als zu kompliziert empfunden wird -, haben die Zuhörer die musikalisch-literarische Stunde im historischen Schloss inmitten der Altstadt von Hoyerswerda mit Sympathie und Respekt aufgenommen. Und des Lobes würdig sowohl für die Interpreten als auch für den agilen und um Vielseitigkeit der Angebote sich ständig bemühenden Hoyerswerdaer Kunstverein.
Erschienen in: Serbske Nowiny vom 2. Juli 2015, S. 3, Übertragung ins Deutsche: Chrysta Meškankowa/Christina Meschgang