Fremde Ideen mit etwas Eigenem
Sonntags-Matinee des Hoyerswerdaer Kunstvereins auf Schnittstellen-Suche
HOYERSWERDA: Mal rätselhaft und skurril, dann wieder harmonisch und ausgewogen hat sich die Sonntags-Matinee des Hoyerswerdaer Kunstvereins präsentiert. Im Zwischenreich deutscher und sorbischer Dichtung und Komposition suchten die Kenner beider Seiten nach ihren Schnittstellen.
Kaum eine musikalische Figur ruft so eindringlich "Hier bin ich!", wie ein ausgespielter Dreiklang in Dur dies vermag. Erst recht, so er von einer schreienden Klarinette hinein in die verbotene Stunde der Mittagsfrau präsentiert wird. "Joy", zu deutsch "Freude", "Wonne", "Vergnügen" titelt der Auftakt zur Sonntags-Matinee im Hoyerswerdaer Schloss. Interpretiert wurde das Werk aus der Feder von Jan Cyz durch den fantastischen Soloklarinettisten Gerold Gnausch, der später auch im Duett mit der ungarischen Sopranistin Anna Korondi glänzte.
Und wahrlich, es spielte sich Vergnügliches ab in der anderthalbstündigen Lesung, an deren Tangente die Dichtungen der sorbischen Wortmaler Jan Zambor und Milan Hrabal standen. Roza Domascyna lieh den Texten ihre Stimme und den Autoren, die beide selbst in der Prosa-Übersetzung bewandert sind, ihr Sprachvermögen im Zwischenreich des Deutschen und des Sorbischen sowie ihrer Lebensarten.
Roza Domascyna enthebt die spitzfindige Lyrik ihrer ursprünglichen Sprache und siedelt sie sicher im jeweils anderen Kulturreich an. Eine besondere wie amüsante Herausforderung sei dieser Prozess, sagt die Autorin mit Kamenzer Wurzeln, müsse der Nachdichtende doch gewillt und in der Lage sein, den Intentionen des Urhebers auf die Spur zu kommen und ihnen hernach strikt wie einfallsreich in der gegenüberliegenden Wortwelt nachzueifern. Die intensive Auseinandersetzung bietet dem Interpreten aber auch die Chance, den fremden Ideen etwas Eigenes mit auf den Weg zu geben.
Und dieses Eigene der Roza Domascyna erwies sich im zweiten Teil der Lesung als ebenso unterhaltsam wie die Verse von Zambor und Hrabel, die letztlich nicht das Ziel der sonntäglichen Reise waren. Vielmehr leiteten sie die Künstler und ihr aufmerksames Publikum hin zur Uraufführung von Jan Cyz' "Schneisenreiterei", der überhöhten Vertonung der gleichnamigen Persiflage von Roza Domascyna auf die Folgen des schreckhaften "Sich-nicht-abspringen-Trauens", das die Menschen jeglicher Herkunft auf dem Weg in die Zukunft begleitet. Eine vermeintliche Schnittstelle, die sich, in Deutsch gesungen und in Sorbisch vom Band eingespielt, doch als Irrtum herausstellt, da, wie die Autorin anmerkt, der Ausgang des Dilemmas in den Sprachversionen variiert. Womöglich hemme die Angst, den Ansprüchen nicht zu genügen, scheint Roza Domascyna zu mutmaßen, als sie am Schluss die vor der Wirklichkeit Niederknienden mit Worten von Milan Hrabal tröstet: "...abends am Feuer erzähl ich etwas so Unmögliches, dass sogar die Flammen vergessen zu atmen".
Mit freundlicher Genehmigung von Lausitzer Rundschau, Lokalteil Hoyerswerda