Rückkehr nach 45 Jahren

Bilder zum Pressetext An wirklich alles hatte der Kunstverein Hoyerswerda für die gestrige Enthüllung der „Großen Liegenden“ gedacht – bis hin zur Farbe des Tuches, das die Backsteinskulptur am Vormittag vor den Augen der gut 350 Besucher verbarg, die sich trotz glühender Hitze den Moment nicht entgehen lassen wollten, an dem Brigitte Reimann in „ihre“ Stadt Hoyerswerda zurückkehrt. Rot war das vom benachbarten Lausitz- Center spendierte Tuch, knallrot – „wie die Pullover, die Brigitte liebte“, wusste Martin Schmidt, der mit einer sehr einfühlsamen, detailreichen und liebevollen Laudatio dem Tag Weihe verlieh. Der Vorsitzende des Kunstvereins hat Brigitte Reimann persönlich gekannt; seiner und seiner Ehefrau Helene und der Rührigkeit des Kunstvereins ist es zu danken, dass Brigitte Reimann heute wieder in der Stadt der „Ankunft im Alltag“ und der „Franziska Linkerhand“ ganz leibhaftig anwesend ist.
Ausschließlich Spendengelder
Apropos „spendiert“: Dieses Denk-Zeichen dürfte neben seiner künstlerischen Einzigartigkeit auch in Sachen Finanzierung Seltenheitswert haben. Kein Cent „öffentliches Geld" oder Fördermittel ist hier geflossen: Gut die Hälfte der etwa 60 000 Eurohaben Bürger gespendet; vor allem Hoyerswerdaer, aber auch europaweit. Die Wohnungsgesellschaft Hoyerswerda (WH), derauch das Park-Areal gehört, hat kräftig aufgestockt.Den „Rest“ steuerte die Stiftung„Kunst & Kultur“ der Ostsächsischen Sparkasse Dresden bei. Deren Vorstandsvorsitzender, Heiko Lachmann, sprach einen bemerkenswerten Satz: Er, Lachmann, könne sich an keine Diskussion seines Gremiums zu einem Antrag auf Unterstützung erinnern, die auch nur annähernd so kurz gewesen sei wie die für Hoyerswerda.
Die Skulptur hat Leben gewonnen
Im Vorfeld war darüber gerechtet worden, ob man die Namen der Spender auf dem Denkzeichen habe verewigen müssen. Wer die enthüllte Skulptur sah, musste zugeben, dass die in die rotbraun-erdigwarmfarbenen Ziegel dezent eingebrannten Namen keinesfalls aufdringlich hervorspitzen, sondern sich harmonisch ins Bild fügen, sich erst dem aus der unmittelbaren Nähe Betrachtenden erschließen.
Künstler Thomas Reimann, der die „Große Liegende“ geschaffen hat, fand sogar, dass sie dadurch Persönlichkeit und Leben gewonnen habe. Nun sei sie nicht mehr eine Anonyma, sondern jeder, der dazu beigetragen habe, sei somit sichtbarer Teil der Teil der Geschichte geworden.
Eine künstlerische Brücke
Geschichte(n) gab es viele an jenem heißen Sonntag. Margitta Faßl, Geschäftsführerin der WH, befand, Brigitte Reimann würde nicht unzufrieden sein mit Hoyerswerda heute: Es gebe das von ihr leidenschaftlich eingeforderte Kulturhaus (die benachbarte Lausitzhalle), es gebe die „hundertäugige Passage“ (das gleichfalls nahe Lausitz-Center) – und es gebe mit dem Park den Ort, an dem man küssen könne, wie sie in einer Zeitungspolemik in ihrer Hoyerswerda-Zeit auffordernd-provokativ bezweifelt hatte. Apropos küssen: Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hatte diese Hoyerswerda-Erfahrung in seiner Jugend schon praktisch machen dürfen und versprach, sie mit seiner Frau hier zu wiederholen. Zugleich konnte er berichten, dass Brigitte Reimann heute mehr denn je eine kulturelle Brücke von Ost nach West sei. Er, Haseloff, war bei der Gedenkveranstaltung in Berlin gewesen, auf der der Niederschlagung des Prager Frühlings vor 35 Jahren gedacht worden war. Da habe man sehr wenig zeitgenössische ostdeutsche Reflexionen zu diesem Thema gefunden. Von Brigitte Reimann schon. Sie sei eben schon damals alles andere als eine „aalglatte“ Person gewesen, sondern habe sich nicht gescheut, das zu artikulieren, was ihr aller Voraussicht nach Ärger einbringen würde.
Liebe und erhoffte Gegenliebe
Ärger blieb ihr auch in Hoyerswerda nicht erspart. Bis heute, manchmal. Aber, so Oberbürgermeister Stefan Skora, genau das mache den Künstler aus: dass er geistige Reibungsfläche biete. Solche Reibungsfläche wird die „Große Liegende“ von Thomas Reimann gewiss bieten. Genau das gefällt ihm. Er dankte allen, die während seiner Arbeit in Hoyerswerda mit ihm diskutiert hätten – zustimmend oder ablehnend. „Was aber immer zu spüren war: Sie lieben Ihre Stadt. Bitte erhalten Sie sich das!“ 1968 hatte Brigitte Reimann Hoyerswerda verlassen – in Zorn und in Trauer.
Jetzt ist sie zurückgekehrt; träumt ein bisschen in den (Bücher)Himmel, und ihr Edelstahlzopf reicht ins Wasser, in dem sich die Wolken spiegeln und unter dem Zitate von ihr zum Entdecken einladen. Möge sie freundliche Aufnahme finden in dieser, auch ihrer Stadt Hoyerswerda.

Mit freundlicher Genehmigung von Sächsische Zeitung, Hoyerswerdaer Tageblatt. Presseartikel vom 22..07.2013. 

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