An einen Erzähler von Format erinnert
Bei dem Gespräch am Kamin des Hoyerswerdaer Kunstvereins am Donnerstag im Schloss bewahrheitete sich wieder einmal, gutes Erzählen ist eine Kunst, die sich in der Faszination der Zuhörer beweist. An jenem Abend stellte Dr. Wolfgang Wessig den Schriftsteller Jakob Wassermann (1873-1934) vor, von dem Thomas Mann sagte „Er ist ein viel größerer Fabulierer als ich…“.
Die Biographie des Autors und ein Seitenblick zu dessen Vorbildern Leopold Schefer und Hermann Fürst Pückler, beide auch Schriftsteller, die Bad Muskau zu dem heutigen Anziehungspunkt machten, schlugen einen Bogen zur Lausitz. Diese Verbindung machte einmal mehr neugierig auf literarische Traditionen, die aus dieser Region erwuchsen. Dann fesselte der erfahrene Theaterdramaturg seine Zuhörerhörer mit der Erzählung „Die Geschichte des Grafen Erdmann Promnitz“. Da war von Graf Erdmann Promnitz, dem Letzten dieses Geschlechts, das einst die Herrschaft Hoyerswerda besaß, zu hören, der sich eigenwillig, ohne sonderliche geistige oder andere Interessen durch Leben treiben ließ. Ein höchst lebendiges, teils grausames, teils kurioses Bild der Sitten und Unsitten des Zeitalters Friedrich II. von Preußens und vor der Französischen Revolution verflocht sich zu einem Stück höchst spannender Literatur, meisterlich komponiert und ebenso fesselnd vorgetragen. Dieser Spross einer achtenswerten Familie taumelt leichtfertig durchs Leben, zur Liebe unfähig, ziellos ohne Gestaltungsdrang, doch die Vorteile seines Standes nutzend öffnet er Willkür Tor und Tür. Einzig seine Zuneigung zu einem armen Landsmann, dem er ein Studium der Astronomie ermöglicht, lässt positive Züge erkennen und konfrontiert am Ende den Haltlosen angesichts der Weite des Weltalls mit der Nichtigkeit und den Gefahren egoistischen Lebens.
Mit dieser 1921 entstandenen Erzählung lässt Jakob Wassermann, wie auch mit seiner Autobiographie „Mein Weg als Deutscher und Jude“ im gleichen Jahr, Ursachen für Gefahren ahnen, die ein Jahrzehnt später Deutsche unter den Nationalsozialisten als Mordbrenner durch Europa ziehen lassen. Wieder einmal mochte sich mancher Zuhörer an einen Satz von Dr. Ralf Schröder erinnern, dass wahre Literatur ein Seismograph ihrer Zeit sei.
Doch nicht dieses Bedrängende stand an diesem strahlenden Sommerabend im Vordergrund des anschließenden Gesprächs, sondern die Freude an Erzählkunst, am Zuhören und am gemeinsamen Vergnügen an den Künsten und am Entdecken der in ihnen bewahrten alten und neuen Weisheiten. Vielleicht weckte diese literarische Begegnung mit Hoyerswerdas einstigen Schlossherren den genius loci, den Geist des Ortes, auf jeden Fall war es wieder ein Abend anregender Begegnung. Gast und Gastgeber waren sich einig, auch fürderhin ihm zu folgen. Das Herbstprogramm sieht sowohl Entdeckungen als auch Erinnerungen vor.
Mit freundlicher Genehmigung von Lausitzer Rundschau, Tageblatt.