Brigittchen geformt und Nixe versenkt
Der Dresdener Bildhauer Thomas Reimann arbeitet oft in der Lausitz. Für Hoyerswerda hat er eine Reimann-Skulptur entworfen, für Miltitz ein Unterwasser-Museum. Gelegentlich ärgert er sich aber. Der Ärger ist schon wieder verflogen.Der Bildhauer Thomas Reimann ist kein Mann, der lange trüben Gedanken nachhängt. So war der 58-Jährige eben mal wieder in Hoyerswerda. Dort hat er schon manches Werk hinterlassen. Diesmal allerdings gab es keine festliche Einweihung, sondern einen ärgerlichen Anlass. Seine Adam- und Eva-Skulptur aus Edelstahl ist „etwas lädiert worden“, wie er sagt. Löcher und Dellen waren drin, zugefügt mit Bierflaschen und Steinen. „Ich bin traurig darüber, dass es Leute gibt, die ihr eigenes Umfeld zerstören“, sagt er. Dann winkt er ab: „Das Leben ist eben auch Gewalt.“ So etwas gebe es auch in Paris oder Tokio – „die Ohnmacht der jungen Leute gegen irgendwas, was ihnen nicht passt, das wird eben an Gegenständen ausgelassen“. Er hat die Schäden repariert. Jetzt sieht die Skulptur so aus, als würde sie Pflaster tragen.
Nichts zu bedauern
Sein nächstes Werk für Hoyerswerda hat er schon entworfen. Reimann nennt das Modell liebevoll „Brigittchen“. Es steht in seinem Studio in Stolpen, oben auf der Burg. Dort verkauft er seine Werke und arbeitet im Sommer im Freien
mit Sandstein. „Brigittchen“ ist aus gebranntem Stein und erinnert an die Schriftstellerin Brigitte Reimann (1933 bis 1973), die in Hoyerswerda gelebt hat. Wenn genug Geld zusammenkommt, kann sie nächstes Jahr im Juni in einem Park aufgestellt werden. 57 000 Euro werden gebraucht. Der Kunstverein der Stadt sammelt Spenden dafür. Rund 22 000 Euro hat er zusammen. Reimann will selber noch einmal zum Spenden aufrufen. „Reimann für Reimann“ ist dann sein Motto. Er hat festgestellt, dass es in Europa viele Menschen gibt, die so heißen. Die könnte man ja fragen. Schließlich trägt auch er diesen Namen. Der Bildhauer ist aber nicht mit der Schriftstellerin verwandt. In seinem Studio in Stolpen war auch schon eine Frau, die Reimann heißt, und gefragt hat, wo sie spenden kann. Gleich am Eingang hängt ein Plakat mit der Skulptur, auf dem steht: „Wir sammeln“.
Der Bildhauer kennt auch viele Werke der Schriftstellerin. „Die haben wir natürlich alle gelesen in unserer Jugendzeit“, sagt er. Neben „Franziska Linkerhand“ begeistern ihn die Tagebücher. „Sie hat natürlich auch ein heißes Leben gehabt“, sagt er und lacht. „Das war ein strammer Feger.“ Sie hat gern getanzt, geliebt, geraucht. Ein Zitat gefällt ihm besonders: „Ich bedaure nichts von dem, was ich getan habe, aber alles von dem, was ich gelassen habe.“ Der Dresdener sagt: „Das ist ja ein Spruch, der für uns alle gilt.“ Dann wird er ernster: „Sie hat natürlich auch gekämpft für ein besseres Leben.“ Brigitte Reimann wollte nicht, dass Hoyerswerda eine Schlafstadt wird. Seine Figur hat einen langen Zopf bekommen, auch der war typisch für die Schriftstellerin. An der Skulptur im Park wird der Kopf samt Zopf aus Edelstahl sein, das Haar bis ins Wasser reichen. So kann sich alles darin spiegeln: Wolken, Bäume. Die Figur soll an einem Wasserbecken liegen.
Engländer hat mitgemacht
Mit Wasser hat der Künstler immer wieder zu tun. So gibt es ein besonderes Projekt im Steinbruch in Miltitz bei Kamenz. Dort treffen sich jedes Jahr Bildhauer aus verschiedenen Ländern zu einer Werkstatt. Reimann ist selber regelmäßig dabei und hatte die Idee, einige Skulpturen im Wasser zu versenken. Das gefiel auch anderen Künstlern wie einem aus England, berichtet Reimann. Als Mitstreiter fand er das Tauchteam Druckausgleich, einen Verein, der den Steinbruch gepachtet hat. Der versenkte die Figuren und kann jetzt spannende Tauchgänge bieten. Bestimmt 50 Arbeiten würden nun über 20 Meter tief liegen, sagt Reimann. Die Werke sind aus Materialien wie Holz, Stein, Glas und Stahl. Reimann arbeitet auch viel mit Glas. So hat er angefangen nach seinem Studium an der Hochschule Burg Giebichenstein in Halle. Später kamen andere Materialien wie eben Sandstein dazu. Der Bildhauer war selber schon unter Wasser und fasziniert. Um die Skulpturen schwammen Fische. Eine Woche nach dem Versenken hätten die Werke schon so ausgesehen, als ob sie 100 Jahre unter Wasser lägen, sagt er. Irgendwann will er die Skulpturen wieder hoch holen und versteigern, voraussichtlich 2013. So hat er bei manch ungewöhnlichem Projekt seine Finger im Spiel. Er schuf auch einen „Laptoper“, eine Figur und Leuchtpunkte am Zuse-Haus in Hoyerswerda. Das erinnert an den Computererfinder Konrad Zuse (1910 bis 1995), der in dieser Stadt sein Abitur machte. Reimann freut sich über die Reaktionen. Das Haus wird oft fotografiert. „Das ist ja wie in Hollywood“, soll jemand gesagt haben. So ist er doch immer wieder gern in Hoyerswerda. Er hat sich sogar schon ein Musikwerk für die Einweihung der Reimann-Skulptur gewünscht: ein „Konzert mit 12 bis 20 Schreibmaschinen“ von Moritz Eggert. Das passt gut zu der Reimann, die ja mit Schreibmaschine gearbeitet hat. Eggert ist sowieso mit ihr verbunden. Der Komponist schuf die Reimann-Oper „Linkerhand“, die das Görlitzer Theater in Hoyerswerda uraufgeführt hat. So führt die Schriftstellerin bis heute Künstler in Hoyerswerda zusammen. Und der Bildhauer sagt: „Ich habe inzwischen die Stadt lieben gelernt.“
Mit freundlicher Genehmigung von: Sächsische Zeitung, Lausitzredaktion, 17.11.2011