Rozas Zauberbuch - Geschenk statt Glücksfall
„Rozas Zauberbuch“ hat es einer ihrer Bewunderer, Martin Schmidt vom Hoyerswerdaer Kunstverein, überaus treffend genannt: das neue Buch von Roza Domascyna, „Der Hase im Ärmel“. Dreifach treffend sogar, denn die sorbischen Legenden, Märchen und Zauberformeln, die Roza Domascyna hier aufgreift, haben schon für sich selbst ein gehöriges magisches Potenzial; die Sprache der Dichterin nicht minder – und dann verdienen unbedingt die zauberhaften Illustrationen Erwähnung, die Angela Hampel für den Band, eine textlich und bildlich erweiterte Auflage der Urfassung von 1997, schuf.
In Grimm’scher Tradition
„Nacherzählungen“, wird mancher vielleicht etwas abschätzig sagen, „das kann jeder. Das ist doch leicht. Einfach aufschreiben, was vom Volksmund überliefert ist und seinen Namen drunter- oder drüber- setzen – so leicht möchte ich mein Geld auch mal verdienen ...“ Eine solche Sicht ist nichts weniger als grundlegend falsch und dumm. Zum einen muss der Stoff der Volkssagen gesammelt werden; ausgewählt, was des Veröffentlichens in einem solchen Bande von Dauer wert ist. Was haben denn die Gebrüder Grimm anderes getan, die die Erzählungen eines ausgedienten Soldaten, dessen Name nicht überliefert ist, zum Ausgangspunkt ihrer weltberühmten Märchen genommen haben, die völlig zu Recht „die Grimm’schen“ heißen? Ist nicht zu allen Zeiten aus dem Überlieferten der urwüchsige Strom der allzeitgültigen Legenden gequollen, dem aber erst wahrhafte Dichter zur Ewigkeit verhalfen; etwa dem „Jedermann“, der trotz jahrhundertealter Geschichte erst in Hugo v. Hofmannsthals Fassung Allgemeingut ward? Wie ist es mit dem Nibelungenlied oder mit dem „Reineke Fuchs“ in der völlig neuen, klaren Fassung Franz Fühmanns? Selbst Goethe hat den Rotpelz ja in zwölf Gesänge gesetzt.
Hilfreiches Ortsverzeichnis
Genug nun aber der Reminiszenzen, endlich zu Roza Domascyna und Angela Hampel, zum Buch „Der Hase im Ärmel“, das genau das für die sorbische Sagen- und Gedankenwelt leistet, was Grimms, Goethe und Fühmann für die deutsche getan haben. Eigentlich noch mehr. Denn Roza Domascyna zeigt nicht nur bekannte Gestalten wie Krabat und Pumpot, die Mittagsfrau und die Lutki in neuem Gewande; nicht nur wird jede der kurzen Erzählungen von einer sorbischen Spruchweisheit getitelt – Roza Domascyna bringt abgebaggerte Orte und deren Überlieferungen aus dem Vergessen zurück. Ein Ortsverzeichnis am Ende des Bandes und ein hilfreiches Glossar zum nicht jedermann geläufigen Hintergrund einiger Stücke des Bandes machen das Entdecken und Erschließen leichter für den Leser.
Die Heide wächst kräftig
Ja – und was hat es nun mit dem „Hasen im Ärmel“ auf sich? Der ist eine solche Legende: Sieht man durch ein Ärmelloch einen hakenschlagenden Hasen, ist das ein Windjunges. „Je weniger Winde, desto schlechter wächst die Heide“, heißt es im Sprichwort dazu. Róþa Domaðcynas Hase ist, um im Symbol zu bleiben, ein Windjunges, das der Heide, dem Sorbischen eben, ganz gewiss zu neuem Gedeihen verhelfen kann. Dem Leser wird es Vergnügen bereiten, obendrein.
„Der Hase im Ärmel“ – Sorbische Märchen, Mythen und Legenden// Texte von Roza Domascyna, Illustrationen von Angela Hampel, 2011 im Cornelius-(Projekte-) Verlag Halle (S)// ISBN 978-3-86237-633-9// 24,50 £ mail www.projekte-verlag.de Buchpremiere am jetzigen Sonnabend, dem 29. Oktober, um 15.30 Uhr in der Schwarzkollmer Krabatmühle (Koselbruchweg 22)// Es lädt ein: der Kunstverein Hoyerswerda.