Literatur aus Prag - Anna Maria Jokl
Beim jüngsten Gespräch am Kamin des Hoyerswerdaer Kunstvereins bewies sich wieder einmal, dass gute Literatur die Welt der Phantasie und der Überraschungen ist. Dazu gehört auch der Lebensweg der Schriftstellerin Anna Maria Jokl (1911-2001), den die Verfolgungen des 20.Jahrhunderts mehrfach prägte. Sie stand im Mittelpunkt dieses Abends mit Dr. Wolfgang Wessig, der seit mehr als einem Jahrzehnt mit literarischen „Grenzgängen“ den Blick seiner treuen Zuhörerschar auf Autoren und Bücher lenkt, die zu Unrecht der Vergessenheit anheim fallen könnten. Anna Maria Jokl, geborene Wienerin, die in Berlin ihre ersten literarischen Arbeiten präsentierte, 1933 nach Prag fliehen musste, von dort über Polen ins englische Exil gelangte, nach dem Krieg nach Deutschland zurückkehrte, um Mitte der sechziger Jahre nach Israel auszuwandern. Aus den Büchern, die in diesem zwangsweise unruhigen Leben entstanden, las der Theatermann brillant, kurzweilig, längere Passagen, die die Erzählkunst der Autorin spüren ließen und auch heute als „Kinderbücher für alle Leser“ höchst aktuell sind.
Sowohl das Buch „Die wirklichen Wunder des Basilius Knox“ wie auch „Perlmutterfarbe“ entstanden in Prag, ersteres wurde dort in tschechischer Sprache publiziert, das zweite erst 1948 in Berlin. Erzählt das eine spannend Geschichten von Misstrauen, von Angst vor Fremden und von deren Überwinden in einem Dorf, so konfrontiert der andere Roman mit zwei Schulklassen, die von einem Außenstehenden verführt werden, sich gegenseitig herabzuwürdigen, sich zu verfolgen und sich schließlich zu bekämpfen. Jokl führt zu Erkenntnis, dass Wahrheit siegen muss. „Jugend will leben und nicht sterben“ resümierte der Maler Oskar Kokoschka diese Bücher. Die Kinderliteratur, die im Exil entstand, wurde bisher viel zu wenig beachtet, betonte Dr. Wolfgang Wessig, einer der besten Kenner der deutschen Exilliteratur. Die Bücher Anna Maria Jokls finden immer wieder Zuspruch.
In ihrem Buch „Essenzen“ setzt Anna Maria Jokl der Lieblingsschwester von Franz Kafka, Ottla David, ein Denkmal. Da war an diesem Abend an deren Tochter Vera Saudkova, die letzte noch lebende Nichte des Dichters, die ihren „Onkel Franz“ noch kannte, anlässlich ihres 90. Geburtstags am 27. März zu erinnern. Sie arbeitete als Übersetzerin und Nachdichterin deutscher Literatur. Der Bogen dieses Hoyerswerdaer Literaturabends schloss mit dem Geständnis Anna Maria Jokls „ Wir liebten alle Prag vom ersten bis zum letzten Augenblick“. Das Asylrecht der Tschechoslowakei, die Großzügigkeit und Freundlichkeit der Bürger rettete vielen Deutschen das Leben und nachfolgende Generationen können sich an den dort entstandenen Büchern freuen.