Pückler stilisiert sein Leben als Kunstwerk  

Christian Friedrich und Volkmar Herold 2015 beim Hoyerswerdaer Kunstverein
Christian Friedrich und Volkmar Herold über das Tafelbuch des Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785 - 1871)
Christine Neudeck
Neben den vielen Facetten, die Volkmar Herold und Christian Friedrich, die Historiker aus Branitz, bereits zu Fürst Pückler zu berichten wussten, gesellte sich eine ganz neue. Im wahrsten Sinne des Wortes ist gesellen die passende Bezeichnung, denn es geht um sie Geselligkeit an Pücklers Tafel auf Schloss Branitz. Schriftlicher Beleg findet sich in fünf "Tafelbüchern", die nach einer langen Odyssee nun wieder zum Bestand der Bibliothek in Branitz gehören. Die erste Eintragung beschreibt ein Menü zum Besuch König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen am 5. August 1854, Pücklers Frau Lucie war am 8. Mai desselben Jahres gestorben, die letzte erfolgt am 26. Dezember 1870. Wenige Wochen danach, am 4. Februar 1871 stirbt Pückler in Branitz.

Es ist unglaublich, was hier von den Sekretären Pücklers, von Wilhelm Heinrich Masser, genannt Billy , und von Albert Bidault, 16 Jahre lang täglich eingetragen wurde, in bestechend schöner Handschrift und mit exakter Namensnennung aller Gäste, die an der Tafel saßen, und ebenso akribisch aufgeführt die genaue Menüfolge. Das erinnert an Pücklers eigene Arbeitsweise auf seinen Reisen, als er täglich Tagebuch führte, nicht nur über alle Erlebnisse, sondern auch über alle Ausgaben und wohlwollend über alle Personen berichtete, die ihm begegneten. Von Genießen im heutige Sinne des sich Gehenlassens also Das Tafelbuch des Fürsten Pücklerkeine Spur, wohl aber von einer ungeheuren Energie, das Leben zu erfassen und zu begreifen und das eigene als Kunstwerk zu gestalten.
Bestand seine Lebenserfüllung bisher in der Schaffung unzähliger Landschaftsparks und aus Monate langen Reisen, verbunden mit der Herausgabe von Tagebüchern und Reisebeschreibungen, wird sein neuer Lebensmittelpunkt die Tafelrunde: Lebensgenuss bei guten Gesprächen mit wenigen ausgesuchten Gästen, bei gutem Essen im entsprechenden Ambiente, immer auch in ausgefallener phantasievoller Kleidung. Pückler ist inzwischen 69 Jahre alt. An Tagen mit hochrangigen Gästen erfolgen die Eintragungen im Tafelbuch in Deutsch und in Französisch. An Hand der Gästeliste kann der Historiker heute nur ahnen, worüber gesprochen wurde, kritische Äußerungen zur Politik im preußischen Staat, Wohlwollen zur Literatur Heines, das Unwetter im Branitzer Park 1866, das ihm ungeheure Kraft zum Wiederaufbau abverlangte. Neben Auserlesenem wie Gänseleber, Trüffel, Rebhuhn, Fasan und Kaviar standen auch ganz einfache Dinge auf dem Speiseplan, so Möhren, Rosenkohl oder Wirsingkohl. Immer gab es zwei Desserts, als zweites häufig eine Eisspezialität. Das Pückler-Eis allerdings wurde vom Mundkoch Friedrich Wilhelm III. kreiert und erhielt Pückler zu Ehren dessen Namen.
Als Aristokrat fühlte sich Pückler im besten Sinne, aristokratisch verhielt er sich auch zu seinen Bediensteten, indem er angemessen bezahlte und einen gepflegten Umgang mit ihnen führte.
In den vorausgegangenen Vorträgen von Christian Friedrich und Volkmar Herold war zu hören dass die Schriftstellerinnen Ida von Hahn-Hahn, Ada von Treskow und E. Marlitt seiner Einladung nach Branitz nicht folgten. Das hatte ihm sein selbst initiierter Ruf als der tolle Pückler eingebracht, was andererseits aber die Auflagen seiner Bücher ungemein erhöht hatte. Frauen seiner Tafelrunde sorgten bei ihm für Anregung nicht nur durch ihre Schönheit, sondern vor allem durch Esprit und gaben ernsthaften Gesprächen die entsprechende Würze. Nach dem Essen liebte es Pückler, türkisch zu rauchen und türkisch Kaffee zu trinken, er war froh um jeden Gast, der diesen Genuss mit ihm teilte.
Nach der letzten Eintragung im Tafelbuch vom Dezember 1870 wird das Leben Pücklers mehr und mehr von Krankheit bestimmt, sein unstetes exaltiertes Leben erfährt natürliche Grenzen, die er nicht akzeptieren möchte. Er legt den Beerdigungsplatz für sein Herz in der Seepyramide, im Tumulus, in Branitz fest und verfügt den schriftlichen Nachlass an Ludmilla von Assing, die häufig an seiner Tafel saß und die er als Muse, als Brief- und Gesprächspartnerin liebte und verehrte. Sie wir ihm eine würdige Biografin.
Pücklers erster Park, der Bad Muskauer Park feiert in diesem Jahr das 200-jährige Jubiläum des Bestehens, der Park in Branitz das "etwas mehr als" 150- jährige, zu denen Gäste aus Nah und Fern erwartet werden, die Pücklers "Andeutungen über Landschaftsgärtnerei" und ihre praktische Anwendung genießen können und ganz nebenbei auch etwas über sein umfangreiches schriftstellerisches Werk erfahren. Verschiedene Restaurants werden Menüs anbieten, gekocht nach einer Auswahl aus dem fünfbändigen Tafelbuch und drei noch vorhandnen Kochbüchern des Fürsten Pückler.

Auszug aus dem Tafelbuch des Fürsten Pückler vom 10. Oktober 1857

 

 

 

 

Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verantwortlich gestalten

Dank des Hoyerswerdaer Kunstvereins an die Historiker Christian Friedrich und Volkmar Herold

Martin Schmidt
Seit neun Jahren stellen die Historiker der Stiftung Fürst- Pückler-Museum Park und Schloss Branitz, Volkmar Herold und Christian Friedrich, am Kamin im Hoyerswerdaer Schloss ihre jeweils neuesten Forschungsergebnisse vor. Diese locken seit Jahrzehnten Kenner, Bewunderer und Naturfreunde aus aller Welt  nach Branitz und Bad Muskau. Die beiden von Pückler auf dürrem Boden geschaffenen Parklandschaften in den Lausitzen bewahrheiten mehr und mehr den Ruf, die richtigen Orte zum Beraten von  Naturpflege, Kultur und Geschichte zu sein. 
Auch der Hoyerswerdaer Kunstverein wandert seit drei Jahrzehnten gemeinsam mit Kennern der Gartenkünste und der Geschichte durch diese Meisterwerke des Fürsten und lauscht den Erzählungen der heutigen Hüter der dortigen Schätze. Die Lausitz verdankt ihnen und dem phantasiereichen Fürsten da Erhalten dieser einmaligen Pracht. Wiederfinden und Zurückgewinnen nach dem Krieg verlorener originaler Gegenstände aus den Sammlungen des Fürsten lassen die ursprüngliche Atmosphäre wieder erstellten Räume in Schlössern und Freiräumen spüren.
In Hoyerswerda war vom Parkgestalter- auch der „grüne Fürst“ genannt -, vom „tollen Pückler“ - der beispielsweise mit Hirschen vor seiner Kutsche in Berlin Unter den Linden spazieren fuhr -, vom Weltreisenden in Afrika, Vorderasien und in zahlreichen Ländern Europas – von  deren einer er die abessinische Schönheit Machbuba mitbrachte, von dem erfolglosen ‚Brautwerber‘ in England und dem Schriftsteller, dessen Erstling „Briefe eines Verstorbenen„ von Goethe gelobt wurde, und vielem mehr war zu hören. Lassen bereits die Vielzahl der verwirklichten Ideen staunen, wie viel mehr müssen Qualität und Beständigkeit derselben in unseren kurzlebigen  Zeiten bewundert werden. (Heute würde  von „Nachhaltigkeit“ tönen, als hätte unsere Zeit diese Haltung erst erfunden, die seit Jahrtausenden bereits geübt wird.)

Die spektakläre Kutschfahrt mit vier Hirschen des Fürsten Pückler Unter den Linden in Berlin Die Kenner seiner Briefe und Tagebücher nannten Fürst Pückler einen „Lebenskünstler„ und präsentierten am Mittwoch vergangener Woche präsentierten ‚Fürst Pückler den Genießer‘. Sie lasen dazu Augenzeugenberichte vom gemeinsamen Tafeln mit dem Fürsten, an dem auch der König von Preußen mit einer Gemahlin Kaiserin Augusta und spätere deutsche Kaiser Wilhelm I. zu Gast waren. Nicht einmal die Namen der Gerichte, die dabei aufgetragen wurden, waren den Zuhörern vertraut, wie viel weniger der Geschmack derselben. Der Fürst und seine Gäste wussten zu genießen, ohne zu opulent zu speisen. Als Dessert reichte man Mokka und Zigarren, dann stand das Gespräch mit dem Fürsten im Mittelpunkt. „Diese Freude an Haltung, Geschmack und Genuss entwickelte und genoss er erst mit zunehmendem Alter. In Branitz vollendete sich der Genießer“, sagten die Kenner seines geistigen Lebensweges. Dort wusste der Fürst gute Speisen zu sich zu nehmen, ohne zur Völlerei zu neigen. Fünf Bände des Tafelbuches des Fürsten und drei Bände Kochbücher liegen in Branitz vor. Die Vortragenden gaben in diese Einblick und dazu in Tagebücher und Gästelisten.  Manches Leckere war bekannt, beispielsweise das Fürst-Pückler-Eis, das allerdings nicht vom Namensgeber, sondern 1839 am preußischen Königshof kreiert wurde. Andere Speisen sind heute unbekannt wie Krammetsvögel oder gelber Salat.
Zu den Vergnügen des Fürsten zählte auch sein Interesse an den technischen Neuheiten beispielsweise an Ballonfahrten, an denen er bis in beachtliche Höhen teilnahm, selbst Notlandungen in Bäumen hielten ihn nicht davon ab. Die größte Neuheit seiner Zeit, die erste Eisenbahn begrüßte er: „Es freut mich, einen solchen zivilisierten Komfort noch erlebt zu haben.“  Sein Grundsatz Turm von Schloss Muskau. Oben im Turm eingesperrt wegen Respektlosigkeit gegenüber seinem Lehrer, versetze er den Hof in Angst und Schrecken, indem er eine Puppe in den Graben stürzte, um einen  Selbstmord vorzutäuschen. Das brachte ihm Aufmerksamkeit ein bis heute. lautete: „Mich interessiert nicht, was werden die Leute dazu sagen, sondern werden die Leute etwas dazu sagen!“ Das anschließende Gespräch am Kamin hätte den Lebenskünstler Pückler erfreut.  Hinterfragt wurde sein Geschick, das Geld für seine zahllosen Kosten intensiven Unternehmungen zu erhalten. Auch dazu gab es erschöpfende Antworten. Fördermittel vom Staat waren nicht dabei! Sie sind Erfindungen späterer Zeiten. In Branitz und Muskau sind - dank der fachlichen Leidenschaft von deren heute dort tätigen Hütern - wesentliche Zeugnisse zu Ereignissen der Geschichte der Lausitzen und des 19. Jahrhunderts erhalten worden und wieder zu besichtigen. Sie vermitteln uns und kommenden Generationen  Verständnis für eine Vergangenheit, die von Menschen mit Ideen gestaltet wurde.                                                                                                    

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