Wechsle den Ort und du wechselst das Glück 

Lesung zu Alexander und Gad Granach mit Dr. Wessig, rechts. Die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung Sachsen, Frau Angelika Barbe, links, unterstützt die Veranstaltung. Mitte: Martin und Helene Schmidt.So überschrieb Dr. Wolfgang Wessig seine Lesung über Alexander Granach ( 1890- 1945) und seinen Sohn Gad Granach (1915-2011) beim Hoyerswerdaer Kunstverein

Bücher, die die Zeit nicht nachhaltig überdauern, sind nicht zwangsläufig minderwertige Literatur. Es fehlte eben nur das Quäntchen Glück zum Ruhm, der die Spuren nicht verwischen lässt. Genau in dieser Nische sucht Dr. Wessig immer wieder und wird auch fündig. Dieses Mal stellt er Alexander Granach vor und dessen Sohn Gad Granach. 
Alexander Granach war zu seiner Zeit als begnadeter Schauspieler auf den Bühnen der Welt zu Hause. Sein Weg führt ihn von seiner galizischen Heimat, dem ostjüdischen Schtetl, über Wien nach Berlin, wo er 1909 bei Max Reinhardt eine erfolgreiche Theater- und Filmkarriere beginnt, die 1945 in New York endet, wohin er als "revolutionärer" Jude über den Umweg Warschau, Kiew und Zürich emigriert war. In Kiew war er außerdem bei Stalins Säuberungen verhaftet worden und konnte mit Hilfe Feuchtwangers ausreisen. Nach Zwischenaufenthalt am Schauspielhaus Zürich emigrierte er 1937 in die USA. Hollywood und Broadway werden nun sein Zuhause und unzählige Male taucht sein Name in einem Filmabspann auf. Besonders liegen ihm die Rollen des intelligenten Bösewichts, so dass er aus kleinen Rollen sehr schnell große macht. Über dieses sein facettenreiches Leben schrieb er ein Buch, dem er den Titel "There Goes an Actor" gab. In der deutschen Übersetzung, die erstmalig nach seinem Tod in einem schwedischen Exilverlag erschien, gab man der Biografie den Titel "Da geht ein Mensch", was den Kern des Buches treffend beschreibt, denn vorrangig war Alexander Granach nicht Schauspieler, sondern ein Mensch, der seinen Weg geradlinig und lebensbejahend ging. Dr. Wessig wählte aus diesem Buch Szenen aus, die sprachlich aufhorchen lassen. Ausdrucksstark schildert Granach seine erste Begegnung mit dem Theater in Lemberg. Die Leser, an diesem Abend die Zuhörer, fühlen sich in einen Zuschauerraum voll Spannung versetzt und erleben förmlich den ersten erwartungsvollen Theaterbesuch eines 16-Jährigen Jungen wie einen eigenen. Zwischen Vorhang hoch und Vorhang runter reagiert der junge Alexander so, als ob er in dem Leben mitspielt, was da auf der Bühne lebendig wird; er wird alles daran setzten, eines Tages dort oben zu stehen, um nun seinerseits die Zuschauer zu verzaubern. Das Buch wurde mehrfach aufgelegt, 1986 und 2012 auch verfilmt. 
Zwei Frauen prägten das Leben von Alexander Granach maßgeblich, aus der Ehe mit Martha Guttmann stammt der 1915 geborene Sohn Gerhard Granach, der sich später Gad nennt. Die Schauspielerin Lotte Lieven-Stiefel wird Granachs zweite Lebensgefährtin. 
Gad Granach schrieb nun ebenfalls eine Autobiografie unter dem Titel "Heimat los". Als Sohn geschiedener Eltern und als Jude, mit Hilfe des Vaters nach Palästina emigriert, ist er los gelöst von festen Bindungen, die sein Leben prägen könnten. Der Vater Boheme, die Mutter verehrt Strindberg und Ibsen, liebt die Naturheilkunde und ist Anarchistin. Das passt nicht so recht zusammen, ist in den Erinnerungen des Sohnes zu lesen, der Besuch beim Vater heiter, anregend und großzügig, das Leben bei der Mutter einfach und unspektakulär. Beim Vater lernt er Brecht, Klabund, Hermann Hesse und andere Berühmtheiten kennen. 
Gad Granach wird beiden nicht nacheifern, er lernt in Berlin Backofenbauer, einen Beruf, der in dem aufzubauenden jüdischen Staat gebraucht wird und ihm ein Willkommen beschert. Sein Leben im Kibbuz beschreibt er witzig, heiter und authentisch, das gespannte Verhältnis zwischen orthodoxen Juden und West-Juden, die Diskussionen um Brot oder Kartoffeln, das Zusammensein mit Mädchen, das im Kibbuz streng geregelt ist, Zimmer für zwei gibt es erst nach der Heirat. Er hält sich ohne Zwang an alle Regeln und genießt allmählich auch die Früchte der entbehrungsreichen Arbeit. Sehnsucht nach Deutschland hat er nicht, sie haben ihn hinausgeworfen, das gereichte ihnen zum Schaden, nicht ihm. Manchmal fragt er sich, ob Rosa Luxemburg, Walter Rathenau oder Trotzki nicht besser daran getan hätten, ihr Leben zum Wohl des jüdischen Volkes einzubringen als für eine große Weltrevolution zu sterben, die keinem genützt hat? In seinen letzen Jahren reiste er dann doch ab zu nach Deutschland, um sich von Israel zu erholen, weil "ihm seine Landsleute ab und zu auf die Nerven gehen". 95-jährig stirbt Gad Granach 2011 in Jerusalem. Ein besonderer Dank an Dr. Wessig für die Anregungen zum Neu- und Weiterlesen, denn neue Sichten, bedeuten ebenso wie neue Orte ein neues Glück.

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