Die Bildsprache des Pacher-Altars, eine ästhetische Lehrstunde.

Rudolf Renner, SenftenbergDer Pacher-Altar, eine Kunstbetrachtung von Rudolf Renner, Senftenberg, beim Hoyerswerdaer Kunstverein

Wer könnte sie zählen, die Mariendarstellungen in der ganzen Welt? Da ihnen eine eindrucksstarke Bildsprache innewohnt, benötigen sie weder Erklärung noch Dolmetscher. So wollte auch Rudolf Renner, der den Marienaltar von Michael Pacher der Kirche St. Wolfgang im Salzkammergut vorstellte, eher die Ästhetik des Eindrucks auf die Zuhörer wirken lassen und sie zum genauen Sehen und Nachdenken anregen.
Jede neue Zeit fasst die gleichen Geschichten in eine neue, zeitgemäße Form. So sehen die Menschen der Altäre des Altertums anders aus als die der Gotik, der Renaissance oder des Barock. Immer weht in ihnen der Zeitgeist, so auch im spätgotischen Marienalter im Salzkammergut, dem wahrscheinlich schönsten nördlich der Alpen, an dem Michael Pacher von 1471-1479 gearbeitet hat, eigentlich tat er das gemeinsam mit 30 Mitarbeitern seiner Werkstatt. Unter seiner künstlerischen Anleitung und mit seinem tiefen Wissen um die bildhafte Sprache der Bibel entstanden unzählige Altäre, von denen der Altar in St. Wolfgang der einzige ist, der heute noch komplett und fast in Originalfassung erhalten ist.
Schon die räumlichen Ausmaße lassen Staunen. Bei einer Höhe von knapp 11 Metern und einer Breite von 6,60 Metern hat der Altar die Abmessungen eines schmalen Hauses. Für die Gläubigen seiner Zeit bietet der so genannte Wandel-Altar werktags nur die schlichte zugeklappte Version mit vier gemalten Tafeln aus dem Leben des St. Wolfgang, der der Kirche den Namen gab. Sonntags werden die ersten Flügel aufgeklappt und es erscheinen nunmehr acht gemalte Tafeln zum Leben Jesu. Der Höhepunkt ist den Festtagen vorbehalten, da werden zwei weitere Seitenflügel geöffnet und der Mittelteil des Altars erstrahlt in Gold und Rot und Blau, mit wunderschönen aus Zirbelkiefer geschnitzten Figuren und filigranen Verzierungen. Dargestellt ist natürlich die Namengeberin des Altars, Maria, als sie zur Mutter Jesu gekrönt wird. Die äußeren vier gemalten Bildtafeln erzählen aus ihrem weiteren Leben. Bekrönt wird der Altar mit einem sehr filigran geschnitzten "Gesprenge" mit einem gekreuzigten Pacher-Altar in St. Wolfgang, nach einem Gemälde von Alois Hänisch, Festtagsseite. (gemeinfrei)Jesus und vielen weiteren Skulpturen. Den unteren Teil schmückt eine "Predella", die ebenfalls durch zwei weitere Flügel zu verändern ist. Selbst die gesamte Rückseite des gesamten Altars ist kunstvoll gestaltet.
Nun kann man sich vorstellen, dass man vor diesem Altar sitzt und die Bilder auf sich wirken lässt. Da fällt besonders eine Szene an der Sonntagsseite auf, in der Jesus die "Ehebrecherin" vorgeführt wird, eine schöne, reich gekleidete, vom Mobb gedemütigte Frau; die Menge fordert nach dem Gesetz ihre Steinigung. Das Urteil Jesu aber lautet: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.
Die Betrachtung der Festtagsseite gleicht einem Sinnentaumel, Goldtöne, unterstützt von Rot und Blau, bringen dieses Leuchten wie von innen heraus zustande. Die Figuren sind schon nicht mehr wie in der Gotik überhöht geschaffen, sondern mit den realistischen Proportionen der Renaissance und mit einer ausdruckstarken Mimik, wobei Maria immer mit einem selten schönen Antlitz erscheint, selbst auf der Flucht nach Ägypten gibt ihre Anmut den widrigen Umständen Glanz und Hoffnung.
So wird der Pacher-Altar in St. Wolfgang bis heute andächtig bewundert, von Christen, Andersgläubigen und Atheisten aus aller Welt gleichermaßen, nicht zuletzt auch wegen der eindrucksvollen Lebensweisheiten, die bis heute gelten.

 

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