Christine Neudeck - Hellerau ist eine Reise wert

 Auf den Wegen der Gartenstadt Hellerau suchte der Kunstverein Hoyerswerda nach sozialen und architektonischen Faktoren, die bei Gründung einer neuen Stadt eine Rolle spielen, einer Stadt, die nicht als Satellitenstadt zu einer bereits bestehenden gebaut wurde, sondern einer neuen Stadt mit allen kommunalen Einrichtungen, derer es bedarf. Denn Hoyerswerda-Neustadt erfüllt diese Kriterien ebenfalls, allerdings zu einer anderen Zeit, nach dem Elend des 2.Weltkrieges.
Wohnungsnot und unhygienische Lebensbedingungen für die ärmeren Bevölkerungsschichten führten Anfang des 20. Jahrhunderts zu den Ideen der Gartenstädte. Gesunde Menschen waren nicht nur wichtig für den Arbeitsprozess, wichtiger noch waren sie für das Militär.
So wurde Anfang des 20. Jahrhunderts gesundes, bezahlbares Wohnen, Bildung und Kultur für alle ein wichtiges politisches Thema auch für Architekten. Sie wussten, dass Architektur und Lebensqualität eng miteinander verknüpft sind.
Der Ort Hellerau wurde 1909 auf der „grünen Wiese“ errichtet als Siedlung für die Deutschen Werkstätten.Er besteht aus dem Werkstattgelände, aus Landhaus- und Kleinhausviertel, einem Marktplatz, Krankenstation, Schul- und Sporteinrichtungen. Bereits 1912 wurde das Festspielhaus, geplant von Heinrich Tessenow, eingeweiht mit einer in Deutschland einmaligen Verschmelzung von  Architektur und rhytmischem Tanz.
Das Besondere in Hellerau: Die Wohnungen waren von Anfang an Eigentum, welches über die Brandversicherung kreditiert wurde, auf der Basis der Sicherheiten vom Werk. Jedes Haus hatte einen kleinen Garten und fließendes Wasser.
Das Werkstattgebäude selbst sorgte mit seinen belichten und belüfteten Arbeitsplätzen für gesunde Arbeitsbedingungen, die Holzabfälle wurden in einem eigenen Blockheiz- Kraftwerk ökologisch abgebaut und schon so früh, im Jahr 1909 wurde Energiegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen und Abfällen installiert. Und noch eine visionäre technische Besonderheit: die eigens für die Deutschen Werkstätten gebaute Straßenbahn bis Dresden Hauptbahnhof sorgte für Anbindung an die Eisenbahn, diente zur Material- und Personenbeförderung und existiert noch heute als Linie 8.
Unternehmer Karl Schmidt und Architekt Richard Riemerschmid arbeiteten für den Hausbau mit getypten Elementen, die im eigenen Unternehmen hergestellt wurden. Fenster, Türen, Dachkonstruktionen, Zäune und auch vorgefertigte Holzhäuser gehörten zum Sortiment. Um Eintönigkeit zu vermeiden, engagierte Richard Riemerschmid andere namhafte Architekten, wie Heinrich Tessenow, Hermann Muthesius, Kurt Frick, Rudolf Kolbe, Spezialisten für Holzhäuser und andere, die für eine ausgewiesene Fläche ihre Hausvarianten vorrangig für die Mitarbeiter des Werkes erstellten. Es entstand eine kleine, grüne, sehr lebendige Stadt. Das soziale Engagement zahlte sich zum einen in Qualität und Leistung aus, zum anderen wurden die Elemente im eigenen Unternehmen hergestellt und sorgten so automatisch für Gewinn. Die Werkstätten wurden weltberühmt und existieren noch heute.
Diese Vielfalt von Architektur, sozialem Engagement und betriebswirtschaftlichen Visionen konnten die Teilnehmer der Exkursion nun sehen und hören. Hören von Clemens Golonska, einem Architekten, der von Düsseldorf nach Dresden gekommen ist und nun mit seiner Familie in Hellerau wohnt. Er wirbt mit seinem Fachwissen und seinen mit Leidenschaft und Liebe zu dieser Stadt geführten Spaziergängen für das Funktionieren dieser Oase in einer modernen Gesellschaft. Und als Hoyerswerdaer Lokalpatrioten ist darauf hinzuweisen, dass Richard Paulick, der  bei Heinrich Tessenow in Dresden studierte, diese Ideen einer Stadt mit gesundem Wohnen, mit sozialer Bindung an ein Werk, mit gemeinschaftsbildenen kleinen Stadtvierteln, mit einem Zentrum für Sport und Kultur und Kommerz in Hoyerswerda Neustadt umsetzte.
Ein Buch zur "Gartenstadt Hellerau" von Clemens Golonska und Frank Elstner kann über den Palisander-Verlag im Internet bestellt werden. 

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Martin Schmidt - Nachdenken über die grüne Stadt Hoyerswerda 

„Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte..“ Nicht nur das Volkslied und das Maienwetter verlockten Mitglieder und Freunde des Hoyerswerdaer Kunstvereins sich zahlreich und fröhlich auf den Weg in eine der bekanntesten Gartenstädte Sachsens, nach Hellerau bei Dresden, zu begeben.
Sachkundig und einfühlsam hatte Christine Neudeck die Blicke der Künstler und Kunstfreunde aus Hoyerswerda geschärft. Buchautor und Architekt Clemens Golonska, ließ beim Wandern auf stets grünen Wegen faszinierend locker, doch fesselnd Architekturgeschichte erleben. Hellerau ist „die erste, zugleich vollständigste und radikalsten Verwirklichung einer Gartenstadt in Deutschland“, heißt es bei Wikipedia. Nur mit historischen Fotos ausgerüstet erzählte der einstige Rheinländer, seit Jahrzehnten Hellerauer Bürger locker vom sozialpolitischen Ansatz der Gründer der Gartenstädte um den Briten Ebenezer Howard im Jahr 1898. Dessen rund angelegten Städte, auf genossenschaftlicher Basis verwirklicht , sollten dem Wohn-Elend der Industriearbeiter wehren, Bodenspekulation verhindern, einerseits die Natur schonen, andererseits zum Lebensunterhalt durch kleine Gärten nutzbar machen. Damit unterscheiden sich die Gartenstädte von den Werkssiedlungen, die ähnlichem Ansatz folgten, doch kein Wohneigentum schufen. Clemens Golonska ließ erleben, wie Wege, die systematisch zwischen Gärten und Häusern durchführen, angesichts niedriger Zäune Kommunikation und Gemeinschaftgefühl fördern. Früh bildete sich eine Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft . 2008 folgte ihr das Netzwerk Europäischer Gartenstädte, die in Deutschland, darunter Marga-Brieske, England, Schweiz, Österreich, Polen, Tschechien Mitglieder besitzt. Grünen und Blühen wurde ebenso bewundert wie die Vielfalt der Baustile, die sich zu einem Ganzen fügten, so dass immer wieder neue Häuser eingefügt werden können. Die Deutschen Werkstätten bildeten den Anfang der Stadtgründung, deren inhaltliches Konzept und soziale Ausrichtung sind bis heute tragend. Das Festspielhaus, das Heinrich Tessenow schuf, erinnerte an Gret Palucca und viele bedeutende Namen der Künste. Die städtebauliche Idee zog Reiner Maria Rilke, Franz Kafka, Komponisten, Sozialforscher und die Söhne von Lyonel Feininger ebenso an wie viele Architekten, die in Hellerau nicht sich, sondern den Gründungsgedanken verwirklichten, jeder auf seine Art. Kann der Auf- wie der Rückbau ohne städtebauliche Idee erfolgen, wurde mit Blick auf Hoyerswerda, die grüne Stadt, gefragt,. Kann sie ohne einen ausgebildeten, erfahrenen Stadtplaner, ohne eine zündende Idee vom Ziel gelingen. Wie in Hellerau müssen diese Prozesse mit den Bürgern verwirklicht werden. Jede Kunst birgt ihr Geheimnis, das ihr nur Kundige entlocken können. Die Reise nach Hellerau ließ intensiver über die Gartenstädte des 20. Jahrhunderts nachdenken, neu über unsere grüne Stadt Hoyerswerda und ihre zukünftige Gestalt. Dies Gespräch wird der Kunstverein fortsetzen.

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