... oder wie bei Wittenberg Neugier auf die Lausitz geweckt werden kann

Am Grab von Brigitte ReimannAuf Reisen gingen einmal mehr die Mitglieder des Kunstvereins Hoyerswerda: Ihre 15. Herbstexkursion führte sie mit ihren holländischen Freunden aus Rotterdam in diesem Jahr in den Raum der Lutherstadt Wittenberg.
Wird diese Stadt verständlicherweise meist mit der Erinnerung an Dr. Martin Luther und die Reformation verbunden, erwies sich dies als viel zu eng gedacht. Das Programm, von den Freunden aus Hoyerswerda liebevoll zusammengestellt, bot nicht nur Vielfalt, sondern auch Überraschungen in fast jeder Stadt. An jedem Ort erwartete die Reisenden Staunen, das bekanntlich jeder Erkenntnis Anfang ist. Dieses Staunen begann bereits mit dem Besuch der 2. Sächsischen Landesausstellung in Torgau und setzte sich fort angesichts der Tagebauriesen, die in „Ferropolis", der Eisenstadt, versammelt sind und inzwischen die (noch?) ungewohnte Kulisse eines modernen Amphitheaters für Open-Air-Konzerte mit Mikis Theodorakis, Andre Rieu und Herbert Grönemeyer, den Puhdys, für Theater- und Opernaufführungen bis hin zu Gastspielen der Mailänder Oper und anderer renommierter Häuser bilden. Mit den begleitenden Mitgliedern des dortigen Traditionsvereins und des Bergbaufolge-Unternehmens LMBV fanden sich die Lausitzer Bergleute ebenso schnell in bergbaulicher Fachsimpelei wie in Bewunderung für den schwimmenden Pegelturm auf dem Gremminer Tagebausee, der den Kirchturm von Gräfenhainichen überragt, oder für die Bergbaugaststätte in der Geburtsstadt des Liederdichters Paul Gerhardt, der im 30-jährigen Krieg lebte und dennoch die Schönheit der Schöpfung besang -etwa in seinem heute noch gern intonierten „Geh' aus mein Herz/ und suche Freud“.
In Wittenberg, Wörlitz und Oranienbaum faszinierten unter anderem das Lutherhaus, die Bilder von Lucas Cranach in den Kirchen, der Besuch des Schulgebäudes, das der österreichische Künstler Friedensreich Hundertwasser in Wittenberg gestaltete, ebenso wie die Gespräche mit einer jungen Architektin in den Gebäuden des Bauhauses Dessau. Im Letzteren war vor 80 Jahren Richard Paulick ausgebildet worden, der 1954 den städtebaulichen Wettbewerb für die Gestaltung der Neustadt von Hoyerswerda gewann und dann in den heutigen Wohnkomplexen I-VII verwirklichte.
All das wurde erinnert, als sich die Gäste aus nah und fern nach einem Spaziergang durch das Schloss Oranienbaums (das jüngst von der Königin der Niederlande besucht worden war) mit Irmgard Weinhofen und den beiden Brüdern Brigitte Reimanns an deren Grab zusammenfanden. Angela Potowski trug zwei trefflich aus Briefen an Irmgard Weinhofen ausgewählte Texte vor, alle sangen das „Dona nobis pacem...“ („Gib uns Frieden...") und schmückten das Grab mit Blumen.
Diese Begegnung war zugleich Höhepunkt und; Fortsetzung eines Gesprächs, das am Vorabend mit Brigitte Reimanns bester Freundin, Irmgard Weinhofen, begonnen hatte und das sehr zum Verständnis für die Autorin, für die hinter uns liegende Zeit und für das neue Miteinander beitrug. Der Ausflug weckte Neugier auf die Lausitz, nach deren sich im Wandel befindenden Landschaft. Und nach Hoyerswerda, der „Stadt der Franziska Linkerhand“. Nach der Stadt des Romans, in dem es Brigitte Reimann trotz allen fragmentarischen Charakters des Buches wie kein(e) Zweite(r) vermocht hat, die Sechzigerjahre-Gesellschaft der DDR am Beispiel des Mikrokosmos Hoyerswerda/ Neustadt literarisch widerzuspiegeln.

Zur Verfügung gestellt durch: Sächsische Zeitung

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