Dr. Marius Winzeler spricht über Wege und Verbindungen, über Kultur und Kunst im Wechselspiel, zwischen Böhmen und der Oberlausitz.

Verschlungene Wege und Schicksale lassen sich in vielen Regionen noch heute bis lange vor den Beginn der Zeitrechnung nachverfolgen. In der Lausitz ist diese Spurensuche besonders spannend, da hier in der Mitte Europas die Völker hin- und herzogen, die Herrscher häufig wechselten, Bodenschätze, gutes Ackerland, reiche Böhmisches Tor in Zittau, vor 1826Fischgründe und Salzvorkommen für Begehrlichkeiten sorgten. Ab etwa dem Mittelalter erlebten Böhmen und die Oberlausitz einen Kulturaustausch von unermesslicher Vielfalt, entstanden an den Handelswegen von Ost nach West und von Nord nach Süd, so vielfältig, dass Dr. Winzeler in seinem Vortrag nur das Mittelalter beleuchten konnte, die Zeit des Barock muss bis zum nächsten Mal warten. 

Wichtigste Handelsware aus der Lausitz war das Salz, das in Böhmen rar war, wohingegen es dort Bodenschätze, insbesondere Silber, reichlich gab. Ein „Logistikzentrum“ für Salz war das Salzhaus in Zittau, hier wurde Salz aus Krakau und Halle zwischengelagert und später nach Böhmen weiter transportiert. Für das Sieden des Salzes allerdings benötigten diese Salinen große Mengen Holz, das wurde aus Schlesien und aus der Oberlausitz sozusagen im Austausch gegen das Salz gehandelt und das Salz wurde wertvoller als Gold. Zur Errichtung eines solchen Handelszentrums bedurfte es eines „Stapelrechtes“, das Zittau 1389 verliehen wurde. Die Geschichte des Salzhauses allein wäre ein Abend füllendes Programm. 
Dem Warenaustausch folgen Handwerk und Kunsthandwerk, Zeugnisse davon waren in dem Vortrag ausgiebig und sinnlich zu erleben, die meisten können heute in Kirchen, Klöstern und Museen bewundert werden. Allerdings ziehen in einem Museum immer die glitzernden und wertvollen Kostbarkeiten zuerst die Blicke an, doch wer hätte hinter so einem dünnen unscheinbaren Silberplättchen, einem Bracchiaten,Bracchiat, Silberplättchen, 1/2 Gramm Gewicht etwas Wertvolles vermutet? Es die Geschichte hinter der Geschichte; Bracchiaten waren bis ins 13. Jahrhundert Zahlungsmittel, nur einseitig geprägt, mit einem Gewicht von einem halben Gramm und deshalb sehr leicht zerbrechlich und heute kaum erhalten, die gekreuzten Äste deuten auf ihre Funktion hin, sie schwingen sich von Ast zu Ast. Abgelöst werden sie durch eine Münzreform, auf den neuen und schwereren Münzen ist der böhmische Löwe mit dem doppelten Schwanz zu sehen. Dieses Symbol der böhmischen Zwei noch vorhandnene Glafensterscheiben im Kloster Marienstern, links Adler, rechts doppelschwänziger LöweHerrscher findet sich vielfältig in allen Bereichen wieder, auf Wappen, in Kirchenfenstern, in Stein gehauen, in Siegeln und in Handschriften. Zum Symbol der böhmischen Herrscher gesellt sich das Symbol des Adlers der Mark Brandenburg, beide verzieren friedlich nebeneinander viele Stadtwappen bis heute. Dr. Winzeler erzählt von den Handelswegen durch das unwegsame Gebirge der Oberlausitz, die Karl dem IV. die Möglichkeit gaben, Zölle zu erheben, an Stellen wie auf dem Oybin oder an der Burg Karlsfried in der Nähe von Lückendorf, er zeigt die wertvollen Schätze der Klöster, goldene Preziosen, die in Prag entstanden sind und heute in der Oberlausitz bewundert werden können, er erinnert an die wertvollenMeisterwerke der Prager Buchkunst, mitgebracht von den Domherren aus Prag Handschriften, die mit den vor den Hussiten fliehenden Prager Domherren nach Zittau kamen und vieles, vieles mehr. 
Das beste Beispiel für gelungenen Kulturaustausch aber ist das Wirken von Dr. Marius Winzeler selbst, des Kunsthistorikers aus der Schweiz, der heute Direktor der Städtischen Museen zu Zittau ist. Er überrascht die Einheimischen mit einem reichen Wissen an Jahreszahlen, an Namen und Verwandtschaftsverhältnissen berühmter Herrscher, über wirtschaftliche und politische Strukturen Böhmens und der Oberlausitz, mit Kunstkenntnis zu den vorgestellten Preziosen und mit dem Fachwortschatz des Historikers, ohne auch nur im Geringsten seine Zuhörer zu langweilen. Erfreulich auch das Schlusswort von Martin Schmidt, dass in der Oberlausitz seit vielen Jahrhunderten Kulturen hin- und herziehen, und dass diese unsere Region nach den Wegzugsjahren heute wieder ein Zuzugsland ist, das jungen Leuten eine Chance bietet.
Unter dem Titel: Für Krone, Salz und Kelch ist in den Städtischen Museen Zittau eine Ausstellung zu diesen Wegen von Prag nach Zittau begleitend zur Landesaustellung in Görlitz zu sehen, vom 28.05-31.10.2011.

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