Russland fasziniert mich, weil man nie so richtig weiß, ob dieses Land schrecklich ist oder schrecklich schön.

Eberhard BehrensZum Kamingespräch des Hoyerswerdaer Kunstvereins fand sich am Donnerstag ein Kreis Interessierter aus weitem Umkreis ein. Eberhard Behrens aus Potsdam erzählte von seinen Begegnungen in Russland während jüngst vergangener drei Jahrzehnte. Im Auftrag des Gustav-Adolf-Werks Leipzig betreute der evangelische Pfarrer Gemeinden der Russlanddeutschen an der Wolga, begleitete Hilfstransporte zu ihren Siedlungen in den einstigen mittelasiatischen Republiken der Sowjetunion, lernte Land und Leute kennen und die Aufgaben, vor denen Russland heute steht. 
In seinem Buch „Russland mit meinen Augen“ schrieb er auf, was ihm begegnet war, und erzählte dies freundlich ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Dazu sei das Land zu weit, seine Geschichte zu vielfältig, voller Brüche. Aus seinem Buch las er einige markante Passagen, in denen er den Versuch unternahm, die Menschen zu verstehen, die ihm begegnet waren. Seit 250 bzw.300 Jahren siedeln Deutsche in Russland, gerufen von Zar Peter I. und Katharina II., schufen eigene Dörfer, machten das Land urbar, bewahrten sich das „Russlanddeutsch“ als eigene Sprache. Diese Kultur endete mit dem zweiten Weltkrieg, als sie nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion vor der vordringenden Front umgesiedelt wurden. Die Zahl der Russlanddeutschen sei inzwischen auch durch die Rückwanderung nach Europa auf ungefähr 10% ihrer einstigen Anzahl gesunken, ungefähr 50% lebten nicht mehr auf dem Lande sondern in den Städten, die junge Generation spräche heute nur noch russisch, sei integriert.
Geistiger Brückenbau zwischen Ost und West, Verständnis für die Mentalitätsunterschiede zwischen den Völkern Westeuropas, die Reformation, Aufklärung, Rationalismus prägten, und denen Russland, die 600 Jahre Leibeigenschaft zu erdulden hatten, bewegte den Gast, „Demokratie begann in Russland erst 1990 “. Der Theologe schilderte kurz die Bedeutung der russisch-orthodoxen Kirche, die immer eine Staatskirche war, erklärte kurz, prägnant die Unterschiede zwischen den Konfessionen und warb um Achtung vor einer Lebenshaltung, die sich nach Nestwärme sehnt, ein natürliches Verhältnis zu Mysterien, zu Versenkung besitzt, für Menschen, die immer wieder neu auf „Heilsbringer“ hoffen, die Kontinuität und Ruhe lieben. Bis in die Gegenwart vollbringen auch sie Spitzenleistungen z.B. in Raumfahrt, Technik, Kunst, Literatur, Schach und zahlreichen vielen Geisteswissenschaften. Gegenwärtig anstehende soziale und politisch organisatorische Aufgaben beschrieb der Referent anhand einiger markanter Beispielen unter dem nach Wolfbang Leonhard abgewandelten Slogan “Die Revolution entlässt ihre Rentner“.
Das anschließende intensive Gespräch ergab, dass östliches Denken ein notwendiges Korrektiv zu westlicher Eile, zu nur rationalem Denken und manch anderen Lebensgewohnheiten bei uns sein könne. Er weckte Bewunderung vor dem russischen Volk und vor der Verantwortung der russischen Regierung. Beide seien in vielfältiger Hinsicht ein wichtiger Partner Deutschlands und Westeuropas.

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