Felix Ringel

Zum Abschluss seiner diesjährigen Gespräche am Kamin hatte der Hoyerswerdaer Kunstverein den jungen Sozial-Anthropologen Felix Ringel, der gegenwärtig seine Doktorarbeit an der Universität Cambridge schreibt, eingeladen, seine Beobachtungen während fast zweijähriger Tätigkeit in Hoyerswerda vorzutragen und zu diskutieren. Damit wurde ein Dialog fortgesetzt, der vor einigen Jahren begann, immer wieder Mitglieder und Freunde mit dem jungen Forscher zusammenführte.
Felix Ringel leitete den Abend mit Brigitte Reimanns Frage ein „Kann man in Hoyerswerda küssen?“, die1963 ein halbes Jahr Für und Wider, Zustimmung und Ablehnung, heitere Antworten und nachdenkenswerte Beiträge in der Zeitung Lausitzer Rundschau hervorrief. Der junge Wissenschaftler nahm das literarische Bild als Ausdruck für die Suche nach Urbanität, nach Lebenskultur, nach Sinn des Lebens schlechthin. Diesen positiven Begriffen stünde für viele Einwohner der Begriff Schrumpfung entgegen, obwohl er als Folge der demographischen Entwicklung, als ökonomische Notwendigkeit begriffen werden könne. Hoyerswerda sei eine Stadt des Wandels, die in jeder Phase liebenswert bleibt, und aus der Haltung heraus die Schrumpfung positiv gestaltet.
Dazu gehört aber, dass die Zukunft nicht verloren angesehen werden, nicht aus Sehnsucht nach Vergangenen gestaltet werden könne, sondern nur mit tätiger Gestaltung der Gegenwart. Diese Aussage war weder Appell, noch moralische Aufforderung zum Handeln, sondern das Ergebnis von Beobachtungen, die Felix Ringel in Hoyerswerda gewonnen hatte: Dazu gehört für ihn die große Anzahl von Vereinen in Sport, Kultur, Bildung, Schulen, sozialem Engagement, für Zoo, Geschichte, Heimatpflege, Gartengestaltung usw., von denen einige das Gespräch kultiviert und als Lebensform in der Stadt durchgesetzt hätten. Wenn er in England erzähle, was die Bürger in Hoyerswerda in ehrenamtlicher Tätigkeit seit Jahrzehnten leisten, wie sie das Leben in der Stadt mit gestalten und nicht nur auf finanzielle Hilfe warten, ernte er großes Erstaunen, eine solch große Zuneigung zu einer Stadt wäre auf der Insel nicht bekannt.
Dazu zählen für den Forscher auch die Diskussionen und das helfende Eintreten für den Erhalt der Hochhäuser, der Braugasse, um den Zoo und andere Einrichtungen, die das Gesicht der Stadt und das Leben in ihr prägen, deren Nachrichten ihn in England erreichten. Auch wenn zeitweise in der äußeren Wahrnehmung die Ressource Zukunft verloren gegangen schien, so bleibe Hoyerswerda für ihn doch eine Stadt der Zukunft, die sich den Herausforderungen der demographischen Entwicklung durch Umgestaltung früher und erfolgreicher gestellt habe als viele andere Kommunen in Deutschland. Mit den genannten Entscheidungen und mit deren Verwirklichen erhielten die Bürger wieder Sicherheit. Auch wenn kein seriöser Forscher sagen kann, was nach der Schrumpfung komme, da das zukünftige Erscheinungsbild durch das Handeln der Bürger selbst mitbestimmt würde.
Felix Ringel blieb konsequent Wissenschaftler, der die Realität von Prognosen für vierzig Jahre im Voraus berechtigt in Frage stellt.
Aufmerksames Zuhören und gemeinsame Suche nach Antworten auf schwierige Fragen prägten den anschließenden einstündigen Dialog der Zuhörer mit dem Referenten und untereinander. Auf die Weise lebte der Abend nicht nur von der Atmosphäre des Dialogs, sondern ermutigte auch zu weiterem, öffentlichem Nachdenken über Hoyerswerda, seine Zukunft und über das Miteinander der Bürger in ihr.
Erschienen: Lausitzer Rundschau, 18.12.2010

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