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„Mein Leben ist eine Kette von Verlusten gewesen.“ Mit diesem Satz beginnt Siegfried Pitschmann (1930-2002) sein Leben zu erzählen. Er erzählt es Marie-Elisabeth Lüdde, die wie er zu einem kleinen Kreis von Schriftstellern gehörte, die sich nach der Wende in der Literarischen Gesellschaft Thüringen in Weimar getroffen hatten. Aber gerade deshalb, weil Marie-Elisabeth Lüdde nicht den Eindruck hatte, dass das Leben dieses Dichters ein Leben von Verlusten war, sondern eher reich und erfüllt, erfüllt auch von der Utopie einer gerechten Gesellschaft, ermunterte sie Pitschmann dazu, seinen Lebensbericht auf Tonband zu sprechen. Nach seinem Tod im Sommer 2002 hat sie dieses Leben so sensibel und authentisch aufgeschrieben, dass es dem Dichter Pitschmann sehr nahe kommt. Wie ich meine, für beide ein Glücksfall, ein Glücksfall auch für Hoyerswerda, denn Siegfried Pitschmann war der zweite Ehemann von Brigitte Reimann und lebte mit ihr am Anfang der 60er Jahre in unserer Stadt.

 

271Der Bericht seines Lebens liest sich so wie wir ihn aus den Tagebüchern von Brigitte Reimann kennen, er schreibt langsam und akribisch, mit einem Gefühl für Zwischentöne, so, wie er auch die Arbeit des Uhrmachers gelernt hat. Seine Erzählungen sind deshalb tiefgründig und ehrlich, niemals oberflächlich. Brigitte Reimann bewundert ihn dafür. Andererseits muss sie ihn immer wieder zum Schreiben ermuntern, ermuntern dazu, lebendig zu schreiben, nicht „gebastelt“. Sie selbst schreibt schnell und stilsicher, immer voller Emotionen, bis zur Erschöpfung.
Brigitte Reimann trennt sich von Pitschmann, als ihr geliebter „Jon“, der spätere Ben in „Franziska Linkerhand“, in ihrem Leben auftaucht, „labil und arrogant, der nur ungute Seiten in ihr anschlägt“, aber ihr unverzichtbares Medium zum Schreiben wird.
Nach längeren Irrwegen kommt Siegfried Pitschmann nach Rostock, ist noch zweimal verheiratet und geht später zurück nach Thüringen, wo er mit seiner Familie, 1945 aus Schlesien fliehend, gelandet war.
Neben seiner Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Volkstheater Rostock und neben dem Amt des Vorsitzenden im Schriftstellerverbandes im Bezirk schreibt er weiterhin kleinere Prosawerke und Theaterstücke. Einen größeren Roman kann und will er nicht mehr beginnen, nachdem Ende der 50er Jahre sein erster Romanversuch „Erziehung eines Helden“ nicht gedruckt worden war, da hier einer zum Helden erzogen werden sollte, der sich gar nicht dazu eignete, für die damaligen Verhältnisse einfach dekadent.
Marie-Elisabeth Lüdde hat mit ihrer „Verlustanzeige“ über Siegfried Pitschmann bewirkt, dass die Leser Bücher von ihm nun gern auch im Original lesen möchten, dazu gehören: Wunderliche Verlobung eines Karrenmanns (1961), Kontrapunkte ( 1969), Männer mit Frauen (1973), Auszug des verlorenen Sohnes (1982), Elvis feiert Geburtstag ( 2000) und weitere Theaterstücke.
Diese Anregung ist somit ganz im Sinne von Siegfried Pitschmann, der seinen Lebensbericht so schließt: Aber ich würde doch gern für mich stehen.
Eine gemeinsame Veranstaltung des Hoyerswerdaer Kunstvereins mit dem Eigenkultur und Bildung Hoyerswerda.

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