Das Scheitern der DDR hat auch westdeutasche Gewissheiten und Weltbilder erschüttert- Lesung mit Uwe Müller

„Vorwärts und vergessen“ lautet nicht nur der Titel eines neuen Buches, das Uwe Müller und Grit Hartmann schufen. Uwe Müller stellte das gemeinsam Werk vor.
Der Gast erzählte, dass seine Familie sächsische Wurzeln habe, da die Vorfahren seines Vaters aus Werdau stammten, er seine Kenntnisse über Sachsen und die neuen Bundesländer in den vergangenen zwei Jahrzehnten vertiefen konnte, da er 1990 als Journalist nach Leipzig gerufen wurde und seither für die Zeitung „Die Welt“ aus den östlichen Bundesländern berichtet. Dabei seien mehrere Bücher zu aktuellen Fragen entstanden, die intensive Recherchen erforderten und in zahlreichen Diskussionen mit Partner unterschiedlicher politischer Ausrichtung ihre kritische Wahrheitskraft bewiesen.
Bei dieser Tätigkeit wurde Hoyerswerda für ihn zu einem festen Begriff bei der Betrachtung der demographischen Entwicklung in Sachsen. Hier habe sich nach einem rasanten Bevölkerungszuwachs von 7000 auf 70 000 Einwohnern bis 1981 seither eine Abnahme auf die Hälfte vollzogen. Diese Zahlen beeindruckten ihn, wurden jedoch für ihn transparent bei mehrfachen Besuchen und Gesprächen mit Bürgermeistern und Geschäftführern der Wohnungsunternehmen. Den Leistungen der verantwortlich handelnden, der mitgestaltenden Bürger zollte der Autor Bewunderung.
Dies alles erzählte der studierte Wirtschaftswissenschaftler locker, achtungs- und respektvoll. Als aktiver Ortschaftsrat einer Stadt in Sachsen kennt Uwe Müller durchaus Schwierigkeiten und Sorgen, vor denen Kommunalpolitiker im Freistaat stehen. Sie erfordern viel Ideen und auch Mut zu wichtigen Entscheidungen, um Bildung, Schule, soziale Aufgaben, kulturelles Leben zu erhalten. Verständlich daher, dass nach kurzer Lesung aus dem Buch sofort der Funke des Gesprächs übersprang, viele der Zuhörer einbezog und den größeren Teil des Abends fortan bestimmte.
Sein Buch geht der Frage nach, wie wurde Unrecht nach 1945 und wie nach 1989 geahndet, wobei der Autor immer wieder den Unterschied beider Systeme betonte, die nicht gleichgesetzt werden dürften. Zu beachten bliebe aber, dass die nationalsozialistischen Verbrechen wurden bei den Nürnberger Prozessen und danach nach Völkerrecht abgeurteilt, während man Unrecht, das Menschen Leben und Besitz nach 1945 kostete, nach 1990 nicht ähnlich konsequent ahndete.
Der Autor nannte zahlreiche Beispiele, beschrieb die Prozesse, das unterschiedliche Verhalten von Staatsanwälten und Richtern, das teilweise auf Unkenntnis der konkreten Bedingungen, der Machtstrukturen der DDR und der Verhaltensweisen der Bürger beruhte. Die Zahlen der Toten, der Todesurteile der vierzig Jahre und deren Begründungen, erschütterten die Zuhörer. Immer wieder kam die Frage nach Tätern und Opfern auf, ohne unzulässige Pauschalurteile zu fällen.
Die Gesprächspartner waren sich einig, dass den Opfern erwiesenen Unrechts in den zwei Jahrzehnten deutscher Einheit zu wenig Rechtfertigung und Beachtung geschenkt wurde. Teilweise unterlag diese Diskussion einem unverständlichen Konkurrenzstreit der Parteien. Zahlreiche Beispiele eigenen Erlebens kamen zu Gehör, spezielle Fragen mussten offen bleiben, eine Gesprächsrunde ist kein Gericht. Miteinander zu reden hilft, Zeit und Aktionsmöglichkeiten zu erkennen. Dafür war dieser Abend hilfreich, wie auch für zukünftiges eigenes Verhalten.
Eine gemeinsame Veranstaltung des Bildungswerkes für Kommunalpolitik und des Kunstvereins.

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