Erinnerung als Brücke zur Gegenwart-Ines Geipel und Dr. Andreas Petersen

Bucheinband

Im Mittelpunkt des jüngsten Gesprächs am Kamin stand das Buch „Black Box DDR“, das Ende vorigen Jahres im Marix-Verlag Wiesbaden erschien und in Berlin, Prenzlauer Berg vor vielen jungen Leuten seine Premiere erlebte.
Die Herausgeber Professor Ines Geipel und Dr. Andreas Petersen sammelten darin 33 Porträts aus den Jahren von 1945 bis 1990 von 17 Autoren geschrieben. Sie erzählen vom Alltag der DDR. Diese Texte – abwechslungsreich und anregend – überzeugen durch Sachlichkeit, Zuneigung zu den beschriebenen Personen, Mitgefühl für deren Schicksal und durch Verzicht auf Anklage, Verteidigung oder Urteil über die Geschichte. Dr. Andreas Petersen nannte Anliegen des Buches: “Es geht um Arbeiter und Bauern, Schüler und Wissenschafter; Maler und Schriftsteller, den Sport und die Kirche, Parteien und Armee, groß gedachte Musterstädte, Gefängnisse und Staatssicherheit.“
Als Kavalier las er zuerst einen Text von Ines Geipel. „Vergnügt und nützlich“ zum Schicksal von Beate Matteoli, der Adoptivtochter von Lotte und Walter Ulbricht. Ihr Leben – bei aller Förderung der Kenntnisse und bei gut gemeinter Lenkung des begabten Mädchens – scheiterte am fehlenden Verständnis dieser Eltern für ihre Liebe zu einem italienischen Kommunisten. Dies Scheitern junger Menschen aufgrund zu starrer Prinzipien der Erziehung sei ein leider altbekanntes Problem, merkten Zuhörer an, denen der Eigenwille Jugendlicher wichtig war und auf elternlose Kinder hinweisen, die in jenen Jahren durch Zuneigung, Umsicht und Zuwendung ihren Lebensweg fanden.
Dazu gehörte auch der Text von Andreas Petersen „Klausur im Eichsfeld“, der drei Ordenschwestern „Töchter der christlichen Liebe vom Hl. Vinzenz von Paul“, die Schwestern Felicia, Theresita und Monika vorstellte. In Bickenriede, einer 1700-Seelen-Gemeinde im Eichsfeld, waren sie im Kindergarten des Ortes, als Seelsorgerin und als Krankenschwester wirksam, bestimmten das kirchliche Leben der katholischen Gemeinde mit, trugen Lebensweisen ihrer Heimatorte Köln, Ostpreußen und aus Oberschlesien in jene Gegend an der einstigen innerdeutschen Grenze. Selbst der von der SED eingesetzte Bürgermeister arbeitete im Sinne der von ihnen geprägten Dorfgemeinschaft. Mit Hilfsbereitschaft, Selbstdisziplin, Glaubenstreue und Opferbereitschaft wurden sie Vorbilder für Jung und Alt im Ort.
Die Zuhörer teilten die Bewunderung des Erzählers, erzählten nicht nur von Beobachtungen in ähnlich innerlich geschlossenen Gemeinschaften unserer Umgebung, sondern auch von ihren eigenen Lebenswegen und von Hoyerswerda, der schnell gewachsenen und nun kleiner werdenden Stadt.
Der aus der Schweiz stammende Historiker nannte Hoyerswerda eingangs wohlwollend einen „Mythos“, den er endlich kennen lernen wolle. Er beobachtete von „außen“, dass unterschiedliche Prädikate, z.B. „Ort des Bitterfelder Weges“, „des Aufbaus der sozialistischen Industrie“ oder „der neuen Stadt“, das reale Bild des Lebens der Stadt verdeckten. Dies interessiert ihn mehr als Bezeichnungen, dazu die Vielfalt kultureller Angebote, die Interessen und Tätigkeiten der Bürger. Erstaunt hörte er von unseren sorbischen Landsleuten, ihren religiösen und kulturellen Traditionen und erinnerte an die Minderheit der Räteromanen in seiner Heimat.
Der Dialog – der mit dem Buch begann - soll fortgesetzt werden, schließlich möchte der Mann aus dem Land der Berge die Tagebaue mit den „großen Baggern“, die neu entstehende Landschaft besuchen. Seine Gesprächspartner wollen dann natürlich von einem Schweizer über seine Heimat hören.

Martin Schmidt 2010-01-21

Erinnerung als Brücke zur Gegenwart-Ines Geipel und Dr. Andreas Petersen

Im Mittelpunkt des jüngsten Gesprächs am Kamin stand das Buch „Black Box DDR“, das Ende vorigen Jahres im Marix-Verlag Wiesbaden erschien und in Berlin, Prenzlauer Berg vor vielen jungen Leuten seine Premiere erlebte.

Die Herausgeber Professor Ines Geipel und Dr. Andreas Petersen sammelten darin 33 Porträts aus den Jahren von 1945 bis 1990 von 17 Autoren geschrieben. Sie erzählen vom Alltag der DDR. Diese Texte – abwechslungsreich und anregend – überzeugen durch Sachlichkeit, Zuneigung zu den beschriebenen Personen, Mitgefühl für deren Schicksal und durch Verzicht auf Anklage, Verteidigung oder Urteil über die Geschichte. Dr. Andreas Petersen nannte Anliegen des Buches: “Es geht um Arbeiter und Bauern, Schüler und Wissenschafter; Maler und Schriftsteller, den Sport und die Kirche, Parteien und Armee, groß gedachte Musterstädte, Gefängnisse und Staatssicherheit.“
Als Kavalier las er zuerst einen Text von Ines Geipel. „Vergnügt und nützlich“ zum Schicksal von Beate Matteoli, der Adoptivtochter von Lotte und Walter Ulbricht. Ihr Leben – bei aller Förderung der Kenntnisse und bei gut gemeinter Lenkung des begabten Mädchens – scheiterte am fehlenden Verständnis dieser Eltern für ihre Liebe zu einem italienischen Kommunisten. Dies Scheitern junger Menschen aufgrund zu starrer Prinzipien der Erziehung sei ein leider altbekanntes Problem, merkten Zuhörer an, denen der Eigenwille Jugendlicher wichtig war und auf elternlose Kinder hinweisen, die in jenen Jahren durch Zuneigung, Umsicht und Zuwendung ihren Lebensweg fanden.
Dazu gehörte auch der Text von Andreas Petersen „Klausur im Eichsfeld“, der drei Ordenschwestern „Töchter der christlichen Liebe vom Hl. Vinzenz von Paul“, die Schwestern Felicia, Theresita und Monika vorstellte. In Bickenriede, einer 1700-Seelen-Gemeinde im Eichsfeld, waren sie im Kindergarten des Ortes, als Seelsorgerin und als Krankenschwester wirksam, bestimmten das kirchliche Leben der katholischen Gemeinde mit, trugen Lebensweisen ihrer Heimatorte Köln, Ostpreußen und aus Oberschlesien in jene Gegend an der einstigen innerdeutschen Grenze. Selbst der von der SED eingesetzte Bürgermeister arbeitete im Sinne der von ihnen geprägten Dorfgemeinschaft. Mit Hilfsbereitschaft, Selbstdisziplin, Glaubenstreue und Opferbereitschaft wurden sie Vorbilder für Jung und Alt im Ort.
Die Zuhörer teilten die Bewunderung des Erzählers, erzählten nicht nur von Beobachtungen in ähnlich innerlich geschlossenen Gemeinschaften unserer Umgebung, sondern auch von ihren eigenen Lebenswegen und von Hoyerswerda, der schnell gewachsenen und nun kleiner werdenden Stadt.
Der aus der Schweiz stammende Historiker nannte Hoyerswerda eingangs wohlwollend einen „Mythos“, den er endlich kennen lernen wolle. Er beobachtete von „außen“, dass unterschiedliche Prädikate, z.B. „Ort des Bitterfelder Weges“, „des Aufbaus der sozialistischen Industrie“ oder „der neuen Stadt“, das reale Bild des Lebens der Stadt verdeckten. Dies interessiert ihn mehr als Bezeichnungen, dazu die Vielfalt kultureller Angebote, die Interessen und Tätigkeiten der Bürger. Erstaunt hörte er von unseren sorbischen Landsleuten, ihren religiösen und kulturellen Traditionen und erinnerte an die Minderheit der Räteromanen in seiner Heimat.
Der Dialog – der mit dem Buch begann - soll fortgesetzt werden, schließlich möchte der Mann aus dem Land der Berge die Tagebaue mit den „großen Baggern“, die neu entstehende Landschaft besuchen. Seine Gesprächspartner wollen dann natürlich von einem Schweizer über seine Heimat hören.

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