Die Regisseurin und Drehbuchautorin Inga Wolfram, Berlin, liest beim Kunstverein Hoyerswerda aus ihrem Buch.

inga Wolframund Martin Schmidt

Das Buch von Inga Wolfram trägt den Titel „Verraten - sechs Freunde, ein Spitzel, mein Land, ein Traum“. Es geht um Verrat, der die Hoffnungen auf eine Veränderung der sozialistischen Gesellschaft begrub, die eine Gruppe von Studenten der Fachrichtung Philosophie und Psychologie an der Humboldt- Universität herbeiführen wollte, um Verrat aus den eigenen Reihen. Das war in den 70-er Jahren der DDR. Inga Wolfram ist eine aus dieser Gruppe, sie hatte eher Ambitionen zu Theater und Film als zur Philosophie, doch durch Klaus Wolfram, ihren späteren Ehemann, wird sie zum Mitglied dieser Gruppe und schildert nun nach über 30 Jahren diesen Aufbruch junger Idealisten bis zum Scheitern. 2007 drehte sie einen Film darüber, danach schrieb sie das Buch. Sie erzählt sachlich und sehr persönlich von den ersten Überlegungen dieser Studenten, die bei Sokrates ebenso in die Lehre gegangen sind wie bei Kant und Hegel, bei Nietzsche, Marx und Lenin. Sie suchen nach dem Sozialismus, den sie in der Theorie vermittelt bekommen und finden ihn weitgehend nicht. Das berechtigt sie, über eine neue Gestaltung der Gesellschaft nachzudenken und nun auch Leo Trotzki, Rudolph Baro, Isaak Deutscher zu lesen, die allesamt Regimekritiker sind und waren. Das ist zum Teil nur möglich über Bücher, die aus der Bundesrepublik beschafft werden müssen. Und so eine Szene schildert Inga Wolfram sehr wohltuend nüchtern und witzig, ohne Hass und dadurch wiederum sehr berührend. Es ist vereinbart, dass an der Autobahn der Transitstrecke ein Sack mit Büchern abgestellt wird, der von der Gruppe wenige Minuten später abgeholt werden soll. Da aber zu dieser Zeit bereits Verrat durch einen von ihnen, Arnold Schölzel, im Spiel war, ist die Staatsicherheit bereits vor Ort und greift ein, allerdings noch bevor einer der Gruppe den Sack holt. Das war ein dummer Fehler, denn wie soll der Beweis erbracht werden, dass die Gruppe von dem Sack wusste? Ähnliche Pannen werden mehrfach geschildert und der Mythos Stasi wird auf ein eher einfältiges Niveau herabgesetzt, das von Korruption und Erpressung lebt. In gewisser Weise erpresst wurde sicher auch Arnold Schölzel, der aus Bremen kommend, aus Überzeugung in die DDR übergesiedelt war und mit Hilfe der Stasi sofort Fuß fassen und ein Studium an der Humboldt- Universität beginnen konnte. Später wird er sagen, dass die Gruppe im Gegenzug zu seinem Verrat 17 Millionen DDR- Bürger verraten hat. Dass die Mitglieder der Gruppe fast ausschließlich aus Elternhäusern kamen, deren gesellschaftliche Kritik bereits während des Nationalsozialismus zu Repressalien geführt hatte, schütze sie vielleicht vor Haft und Gefängnisstrafen, aber es galt für alle der Ausschluss aus der Partei und die Entlassung aus allen ihren Arbeitsstellen. Inga Wolfram rettete sich als Dolmetscherin zur DEFA, sie war zweisprachig aufgewachsen, weil ihre Mutter Russin war. Inga Wolfram hört in ihrem Buch jedoch nicht beim Scheitern auf, sie ermutigt alle jungen Querdenker, ihre Träume und Hoffnungen auf notwendige und gerechte Veränderung in allen Gesellschaftsystemen als ihr gutes Recht zu betrachten und nicht wegzusehen.

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