Dr. Klaus Rupprecht, Direktor des Institutes für deutsche und europäische Studien der Universität Toronto,war zu Gast in Hoyerswerda.

Herr Dr. Rupprecht - was treibt einen "Wahl-Kanadier" her?
Vor einiger Zeit war eine Gruppe Studenten unserer Universität in Ostdeutschland, auch in Hoyerswerda. Die Studenten hatten an einem Brigitte-Reimann-Spaziergang des Kunstvereins teilgenommen und haben so begeistert berichtet, dass ich unbedingt einmal hierher wollte.

Studenten nach Hoyerswerda? Das kennt doch kein Kanadier.
Freilich, der Normal-Kanadier weiß über Deutschland so viel wie ein Deutscher über das wirkliche Kanada. Reisen gehen meist an Glanzpunkte wie Berlin, München, Weimar. Aber ich habe den Studenten gesagt: "Geht dahin, wo es Probleme gibt." Der Name Hoyerswerda wird ja seit 1991 in Deutschland mit Problemen verbunden. Das hat sich nicht geändert mit den Berichten von Bevölkerungsrückgang und massivem Abriss.

Die Studenten waren begeistert. Pathologisches Interesse?
Im ersten Moment vielleicht. Dann aber Anerkennung, wie die Menschen hier mit ihrer Situation umgehen, wie offen und nüchtern sie Vergangenheit und Gegenwart betrachten, sogar mit gelindem Optimismus in die Zukunft schauen.

Fanden Sie das bestätigt?
Unbedingt! Beim Brigitte-Reimann-Spaziergang habe ich viel gelernt über die Stadt und ihre Menschen.

Nehmen Sie etwas von Hoyerswerdaer Problemlösungs-Ansätzen mit nach Kanada?
Nein. Die Hoyerswerdaer Probleme sind diametral entgegengesetzt. Kanada ist ein junges Land, will durch Einwanderung wachsen. Wer etwas lernen könnte und sollte, das wären die US-Amerikaner, wo, etwa in Detroit, sich die Situation ähnlich darstellt. Aber die US-Amerikaner sind keine Weltmeister im Rat-von-außen-Annehmen.

Stichwort Einwanderung: Würden Sie einem Hoyerswerdaer raten, nach Kanada zu gehen?
Wenn er gut ausgebildet ist - warum soll er nicht sein Glück dort suchen? Aber: Ins Land, nach Kanada, reinkommen ist viel leichter als dort Fuß zu fassen.

Und Kanadier hierher?
Auswandern nicht. Das hat etwas mit der Mentalität zu tun. Nordamerikaner sind Patrioten. Sie kämen auch mit der deutschen Enge und Reglementiertheit nicht klar. Es sei denn, sie hätten hier Chancen, die Kanada nicht bietet, etwa für Künstler. Deutsche Kunstförderung ist kanadischer weit überlegen ... Allerdings würde ich zu einem Urlaubsbesuch raten. Ich selber werde auch noch einmal her kommen, mit mehr Zeit. Hoyerswerda ist auf seine Art faszinierend.

Vor allem?
Der Brigitte-Reimann-Komplex. Architekten, die sie schildert, die hier gebaut haben, die haben vorher in China gebaut, an Plätzen, die ich selbst gesehen und in den Reimannschen Beschreibungen sofort wieder erkannt habe, obwohl es oft nur wenige Sätze waren.

Schließen sich also in Hoyerswerda für Sie auch Welt-Kreise?
Das kann man so sagen. Ja.
(Sächsische Zeitung)

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