Den 9. November, das Fest der Freiheit, beging der Hoyerswerdaer Kunstverein auf seine Art.

Rose Marie Radeke

Der Tag begann, indem einige Mitglieder aufmerksamen, gespannt lauschenden Schülern von ihren Erlebnissen in Beruf, Familien, im Freundeskreis der Künste und Literatur in der vor zwanzig Jahren untergegangen DDR berichteten. Er endete mit einem Vortrag der Berliner Kunstpädagogin Rose Marie Radeke zum Aufbruch der Malerei aus der Enge des Mittelalters in die Neuzeit, einer friedlichen „Revolution“ in der Kunstgeschichte. 
Auch bei ihr waren Zeitzeugenberichte zu hören, nämlich wohl ausgewählte Äußerungen von Malern, Kunstkennern, Mäzenen und Schriftstellern. Dazu waren jene Bilder zu sehen, die bis heute die Welt begeistern, der Genter Altar der Brüder van Eyck, deren Porträts ihrer Mitbürger, die Madonnen in häuslichen Umfeld und mit Blick auf Landschaft und Städte der Niederlande.
Die Referentin stellte diese Bilder einigen wenigen aus dem Hochmittelalter gegenüber. Die letzteren zeigten Gott, die Himmelkönigin Maria und die Apostel immer nur auf Goldhintergrund. Die Erde galt in der Werteskala jener Zeit als die niedrigste Stufe, wenn nicht gar als Werk des Teufels. Dem gegenüber zeigten die alten Niederländer des 14./15. Jahrhunderts die Heiligen, die Personen der Bibel mitten auf der Erde. Die Madonna pflegt das Jesuskind in einem bürgerlichen Raum, dessen Fenster den Blick weit in die Ebene einem Fluss folgen lassen. Eine Ecke des Zimmers bestimmen Handtuch, Schüssel, Wasserkanne. Die Botschaft der Bibel ist wieder auf der Erde, im Alltag der Menschen angekommen.

Hironymus Bosch

Damit beginnt der Weg der neuzeitlichen Kunst , der zu den Genrebildern Pieter Breughels führen, bei denen Maria auf einem Esel reitend unter den Herberge Suchenden in Bethlehem sehen lässt, um sie herum das lärmende Treiben einer holländischen Stadt. Dieses neue Selbstbewusstseins beruht auf dem Reichtum weltweiten Handels der Niederlande, weckt Freude am Leben und an den Gütern der Erde, die bald auch als Ausdruck gottgefälligen Verhaltens angesehen werden. Die Natur wird als Gottes Werk erkannt und verehrt, ist zu erhalten und darf bewundert werden.

Die Mediziner entdecken den menschlichen Körper und seine Funktionen, die Maler richten ihre Aufmerksamkeit auf die Details, auf die Wunder der Schöpfung. Sie malen mit feinsten Pinselstrichen Blumenblätter und Zweige, das farbige Gefieder der Vögel, die Flügel der Libellen. Die Porträts werden nicht mehr schematisch im Profil gemalt, sondern mit leichter Wendung mit allen persönlichen Eigenheiten, Makeln und Schönheiten. Jan van Eyck liebt Edelsteine, fügt er sie einem Geschmeide, einem Gewand hinzu, lässt er ihre Farben leuchten, glänzen, erstrahlen. Die Maler entdecken das Licht für ihre Bilder – ob es von außen oder von innen kommt – sie zaubern den Gegenständen Leuchtkraft hinzu, die ihre Vorgänger nicht kannten. 
Mit Farbe und Licht, mit Natur und Landschaft wird auch die Phantasie aus den engen Banden des Mittelalters befreit. Für Rose Marie Radeke steht der Maler Hieronymus Bosch in dieser Tradition. Er zeigt die Ängste, die Schrecken, die Monster, die jene bedrängen, die anderen die Welt mies machen: den Mächtigen, den Gewaltherrschern, den Predigern, die mit Fegefeuer und Hölle Gläubige und Ungläubige erschrecken wollen.

Da waren u.a. zu sehen „Der Heuwagen“ der Gierigen, die „Ritterhölle“ für jene, die andere ausrauben, „Der Vagabund“, heimatlos, und all die anderen phantastischen Blicke auf eine böse Welt, festgehalten auf Meisterwerken eines meisterlichen Einzelgängers der Kunstgeschichte.
Das Mysterium der Kunst muss immer wieder neu erschaffen werden, war von Rose Marie Radeke zu hören, wie der Friede, möchte man an diesem Tag hinzufügen, der die Welt öffnete.
Martin Schmidt

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