Vortrag Dr. Wolfgang Wessig, Görlitz, über den Schriftsteller und Arzt Hans Keilson (*1909).

Dr. Wessig

Die Literatur hilft zum Leben. Dieser Satz wird immer wieder in Frage gestellt und seit Jahrhunderten gibt es Für und Wider. Bei Dr. Wessig allerdings gibt es keinerlei Zweifel daran, dass die Literatur, dass Bücher das Leben überhaupt erst lebenswert machen. Denn das Ineinanderwirken von Begebenheiten und moralischem Verständnis in den verschiedenen Zeitaltern kann aufgeschrieben werden. Literatur ist das Gedächtnis der Menschheit, von Büchern gibt es Archivexemplare, von Menschen nicht, übermittel er einen Gedanken von Hans Keilson, dem dieser Abend gewidmet war. 
Hans Keilson wurde 1909 in Bad Freienwalde geboren, die Eltern lebten von einem kleinen Geschäft und waren jüdischer Herkunft. Zum Studium der Medizin ging er 1928 – 1934 nach Berlin und verdient sich seinen Lebensunterhalt unter anderem mit Musik. Das Berufsverbot zwang ihn 1936 zur Auswanderung in die Niederlande, wo er im Untergrund gegen die deutsche Okkupation arbeitete. Seine Eltern wurden in Auschwitz- Birkenau ermordet. Heute lebt Hans Keilson in Bussum, in der Nähe von Amsterdam, wo er noch immer als Psychoanalytiker arbeitet.
Seiner eigenen Aussage zufolge reitet er auf zwei Pferden, auf dem der Literatur und auf dem des Arztes. Als Arzt und Psychoanalytiker wurde er bekannt mit Publikationen über traumatisierte jüdische Kriegswaisen in den Niederlanden und gilt als Spezialist in der Trauma- Forschung.

Hans Keilson (Mitte)

Die Literatur hat ihn ebenfalls ein Leben lang beschäftigt. Bereits 1934 hatte er seinen ersten Roman veröffentlicht: „Das Leben geht weiter“, gerade noch rechtzeitig, um gleich nach den Erscheinen verboten und verbrannt zu werden. Es ist erstaunlich, wie er hier als ganz junger Mann in einer ruhigen, sensiblen und humorvollen Sprache die Zeit zwischen den zwei Weltkriegen im Leben einer Kleinstadt beschreibt, den beginnenden Judenhass, die nationalsozialistischen eingängigen Argumente und den Konkurs des Vaters. In einem weiteren Roman „Der Tod eines Widersachers“ erzählt er von Liebe und Hass, die sich wechselseitig bedingen, von den zwei Seelen eines Menschen, der seinen Widersacher eigentlich tot schlagen müsste, es aber nicht tut. Dazu erzählt er ein Gleichnis von Elchen, die in einem neuen Terrain alles haben, was sie zum Leben brauchen, aber trotzdem vergehen, bis man feststellt, ihnen fehlen die Wölfe, ihnen fehlt der Widersacher, ihnen fehlt das feindliche Gegenüber, an dem sie sich reiben können, um stark zu werden. Dieser Gedanke durchzieht alle seine Werke, „mit dem Dir zugewiesenen Teil im Leben musst du fertig werden, versuche, etwas daraus zu machen“, ist sein Credo. Heimisch zu werden vermochte er nirgends mehr, denn „seine Steuern zahlt er in Holland, seine Fußspur durchzieht noch den Sand der Mark und sein Herz trauert um Jerusalem“. Wer Näheres wissen möchte, sollte sich Zeit lassen und Keilson im Original lesen, seine Gedichte, seine Erzählungen und sicher auch seine Fachbücher über die Psychoanalyse.

Auf dem alten Foto ist in der Mitte Hans Keilson zu sehen. Das Foto fand Dr. Wessig im Nachlass von Ludwig Kunz, wobei er erstmals den Namen Hans Keilson hörte.

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