Dr. Sigrid Töpelmann, Berlin, erinnert an den Schweizer Schriftsteller Gottfried Keller (1819-1890).

Dr. Sigrid Töpelmann

Gottfried Keller, für die Älteren unter uns noch Pflichtlektüre in den Schulen, bei den Jüngeren kaum noch dem Namen nach bekannt. Umso erfreulicher ist es, dass Dr. Sigrid Töpelmann diesen Schriftsteller beim Hoyerwerdaer Kunstverein in einer ganz außergewöhnlich aktuellen Sicht vorstellte, aktuell zum Beispiel, wenn in der gleichnamigen Novelle das Lachen verloren geht, weil Meinungsmanipulation und Medienmissbrauch im Spiel sind. 
Doch erst einmal der Reihe nach. Gottfried Keller wurde 1819 in Zürich geboren und starb dort nach einem beschwerlichen Weg zum Dichter, der ihn auch über Deutschland führte, immer begleitet von Armut und einfachsten Lebensverhältnissen.
Seine Lebenszeit ist mit der von Theodor Storm fast identisch, den Dr. Sigrid Töpelmann kürzlich ebenfalls vorstellte. Viele Jahre stehen Storm und Keller in einem intensiven Briefwechsel miteinander, obwohl sie gegensätzliche Auffassungen von den Aufgaben eines Dichters vertreten. Während Storm dem Dichten an sich verhaftet bleibt, soll der Dichter nach der Meinung Kellers „seine Stimme erheben für das Volk in Bedrängnis und Not; aber nachher soll seine Kunst wieder der Blumengarten und Erholungsplatz des Lebens sein“.
In diesem weit gespannten Bogen bewegt sich das umfangreiche Werk Kellers. Seine Novellen, seine Romane und Gedichte sind von erbarmungsloser Realität und von anrührender Poesie gleichermaßen durchwoben. Die unzähligen Novellen erscheinen in thematisch geordneten Sammelbänden wie „Die Leute von Seldwyla“, „Züricher Novellen“, „Das Sinngedicht“ u. a. Abgeschaut dem „goldnen Überfluss“ der Natur und den vielfältigen menschlichen Schicksalen finden wir hier großartige Erzählungen, die dem Leser in wichtigen Fragen des Lebens helfen sollen: einige mit erzieherischer Absicht wie „Frau Regel Amrain und ihr Jüngster“, mancheDr. Sigrid Töpelmann l. satirisch kritisierend, wie „Kleider machen Leute“ und „Die drei gerechten Kammmacher“, andere mit klaren gesellschaftskritischen Haltungen wie „Martin Salander“ und „Das Fähnlein der sieben Aufrechten“. In seinem großen Bildungsroman „Der grüne Heinrich“ erleben wir Keller als sehr genauen Autobiographen, der die Welt poetischer empfindet als sie ist, der zwischen der Berufung zum Künstler und sinnvoller Arbeit für die Gemeinschaft schwankt, ebenso wie zwischen der sinnlichen und der geistigen Liebe, beiden gleichermaßen hingegeben. Am deutlichsten sind diese Wesenszüge Kellers in seiner Lyrik ausgeprägt. Im dem Gedicht „Land im Herbste“ sieht er resignierend die alte Heimat wieder, die weithin in grauer Luft dämmert, das alte Lied von Mühsal und Vergänglichkeit singt, wenig Freiheit und wenig Liebe verspricht und in der der arme Streit um das Wie noch immer tobt.
Im „Abendlied“ dagegen fordert er die Lebenden auf:
Trinkt, o Augen, was die Wimper hält,

Von dem goldnen Überfluss der Welt!

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