Beim Gespräch am Kamin entführte der Schriftsteller Ulrich Schacht seine Zuhörer auf die kleine Insel Grimsey vor Island.

Martin Schmidt und Ulrich Schacht v.l.

Seine Novelle „Insel der toten Vögel“ erzählt meisterlich von Landschaft, von Einsamkeit, von Sehnsucht nach Freiheit und flicht immer wieder Reflexionen über Jugend, Heimat, Welt und Denken ein. Erinnerungen an seine Kindheit bilden das Zeitkolorit und erfassen den Atem jener Zeit. 
Den Satz ‚Unsere Seelen sind Zugvögel, deren einziger Besitz die Sehnsucht ist, die sie nach Orten führt, wo etwas mit ihnen passiert’, verwendete der Autor wie ein Leitmotiv in der Musik, mit dem er die verschiedenen Bilder verknüpfte. Da war von der Kindheit eines Einzelkindes zu hören, das bei seinen Großeltern aufwuchs, von dessen Liebe zum Alleinsein. Während sich beispielsweise Schulkameraden an der nahen Ostsee beim Baden tummeln, zieht sich der Knabe an stille, leere Stellen am Strand zurück, um aus Sanden, Steinen und Strandgut Burgen, Sandhäuser zu bauen. „Ich suche immer wieder die engen, abgeschlossenen Räume“ gesteht Ulrich Schacht, spielt damit auf bittere Erfahrungen seiner Jugend an und zeigt den autobiographischen Charakter seines Buches. Der gibt dieser Geschichte ebenso nachdenkliche wie poetische Klänge, greift auf Philosophen des alten Griechenland zurück wie auf die Gedanken zu unserer Zeit, teilt überraschende Ideen mit und ist bestimmt von Meditationen über Schönheit, Leben und Gemeinsamkeit.
Ulrich Schacht besuchte von 1991 bis 1995 mehrfach Inseln im russischen, norwegischen und dänischen Eismeer. Ihn fasziniert der Anflug des Hubschraubers auf „einen Punkt im Meer“, der plötzlich ganz klein auftaucht, ehe man auf einer ganz kleinen Insel landet. Auf manchen begegnen die Besucher nur dürftigen Spuren einst dort weilender Menschen, auf einer anderen finden sie ein Ehepaar, das seit acht Jahren auf einer dieser ganz kleinen Eilande lebt. Sie melden die Wetterdaten für Forschungszwecke nach Moskau, nutzen sonst die „Zeit zum Gespräch miteinander“ und zeigen keine Langeweile. Für den Dichter Schacht wird dieses Erlebnis ein Anstoß zum Nachdenken darüber, was unserer Zeit vielleicht fehlen könnte: Dialog, Zuhören, Selbsterkenntnis im Gegenüber
Ulrich Schacht liebt die Details, schon in seinen frühesten Texten folgt er dieser Kunst bis heute. Seine Liebeserklärung an Dresden und die Elblandschaft erhält davon z.B. ihren Zauber. Doch der Dichter verweilt bei aller Genauigkeit nicht an der Oberfläche, sondern verlockt seine Leser, literarisch gefasste Bilder auszukosten, um selbst Neues zu entdecken. Der Anblick eines Baggers, der bei Arbeiten bei der Küstenbefestigung liegen gelassen wurde, nun verrostet und langsam von Pflanzen überwuchert wird, lässt ihn darüber reflektieren, ob dies nicht nur Nachlässigkeit sei, sondern ob sich dahinter der Wunsch des Menschen noch Zeitlosigkeit, nach ewiger Dauer verberge. Der Autor ist Poet, ist Mensch, der sich mit Zeitgeist, Politik, Philosophie und Religion auseinander setzt, ohne in das Räsonieren von Stammtischen zu verfallen. Ulrich Schacht bleibt stets ein Fragender selbst und seiner Zuhörer.
Verständlich, dass dieser Abend mit Gesprächen, lockeren Diskussionen und immer wieder mit dem Vorlesen neuer Texte endete. Schließlich ist Ulrich Schacht seit kurzen vertraglich mit dem Aufbau-Verlag Berlin verbunden, mit dem die Gastgeber, der Freundeskreis der Künste und Literatur Hoyerswerda, seit mehr als dreißig Jahren intensiv zusammenarbeiten, jener Verlag betreut und gibt die Bücher Brigitte Reimanns heraus.

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