Vortrags - und Gesprächsabend mit Dr. Wolfgang Wessig, Görlitz zu dem Roman von Ilja Ehrenburg ( 1891-1967) „ Das bewegte Leben des Lasik Roitschwantz“

Martin Schmidt und Dr. Wessig

Seit der Antike vermitteln die Dichter ihre Botschaften mit Hilfe von Fabeln, Humoresken oder Satiren. Und das mit großem Erfolg, weil mit diesen Stilmitteln ein viel größerer Leserkreis erreicht wird als durch unangenehme direkte Wahrheiten und weil eine solche Botschaft den Menschen nicht zerstört, sondern eher nachdenklich macht und ein wenig hoffnungsfroh. 
Dr. Wessig stellte an diesem Abend den Roman „Das bewegte Leben des Lasik Roitschwantz“ vor, geschrieben 1927. Ilja Ehrenburg ist uns eher als kritischer Berichterstatter und sozialistischer Realist in Erinnerung. Dieser Roman nun zeigt eine ganz andere Seite Ehrenburgs: hinter einem großen Lachen verbirgt sich große Weisheit und Güte. Lasik Roitschwantz, der jüdische Schneider aus der russischen Kleinstadt Gomel versucht in der Gesellschaft nach der Oktoberrevolution Fuß zu fassen, er passt sich an alle Lebensumstände an, gelangt über das Gefängnis zum Kaninchenzüchter nach Tula, als Schriftsteller nach Moskau, als Schauspieler nach Berlin, als Rabbiner nach Frankfurt am Main, als Maler nach Paris, weiter geht die Reise über London bis nach Israel an das Grab der Urmutter Rahel. Jede dieser Stationen endet tragisch. Und immer wieder fängt er ungebrochen von vorn an, bis er an der letzten Etappe in Israel nicht mehr verjagt werden kann, weil er stirbt.
Ilja Ehrenburg

Doch niemals hat der Leser das Gefühl von Trauer oder Resignation, die Fabel überdeckt das Leid und das Geschundensein. Lasik erzählt ungebrochen die Legenden und Gleichnisse aus der jüdischen Religion, er disputiert mit Gott über Gott, über Himmel und Hölle, er erzählt scharfsinnig und gewitzt und wird immer nur seinen Leib, nicht aber seinen Geist anpassen.
Dass das schriftstellerische Erbe Ilja Ehrenburgs unter einem neuen Aspekt gesehen wurde, ist dem Literaturwissenschaftler Ralf Schröder (1927-2001), ehemals Lektor beim Verlag Volk und Welt, zu verdanken. Es ist vor allem sein Verdienst, dass der Roman „Das bewegte Leben des Lasik Roitschwantz“ neu herausgeben wurde, denn Ehrenburg befürchtete, dass dieses Buch nach 1945 falsch verstanden werden könnte, weil der Holocaust sprachlos mache und danach über das Judentum weder ernsthaft noch ironisch zu erzählen sei.

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