Fritz und Sieglinde Mierau, Berlin stellten den Briefwechsel zwischen dem Dichter Wjatscheslaw Iwanow (1866-1949) und dem Historiker Michail Gerschenson (1869 -1925) beim Kunstverein vor.

Sieglinde und Fritz Mierau

Eine sehr ungewöhnliche Art, wie Literatur reifen kann, bekamen die Zuhörer an dem Abend mit Sieglinde und Fritz Mierau zu Gehör. Ungewöhnlich deshalb, weil man sich in einem kleinen Zimmer in einem Erholungsheim in Moskau von einem Zimmerwinkel in den anderen Briefe schreibt, die später weltberühmt werden, zum Zeitpunkt des Entstehens aber eher der Annäherung zweier Menschen dienen sollen, die unterschiedlich in ihren Grundhaltungen über das Wesen der Kultur im gesellschaftlichen Miteinander nachdenken. Die beiden, die sich hier zufällig in einem Zimmer treffen, heißen Wjatscheslaw Iwanow und Michael Gerschenson, der eine Russe und Dichter, der andere Jude und Historiker. Was beide verbindet, ist ihre Tätigkeit als Volksbildungskommissare des neuen Russland, was beide trennt, ist ihre Auffassung von der Kultur. Der eine möchte die reiche Vergangenheit und damit auch Glauben und Mythen bewahren, denn das Vergessen erzeugt kein Leben. Der andre plädiert für einen geistigen Neuanfang mit zeitgemäßen Denkansätzen, nachdem vieles von dem Vorangegangen in die Irre geführt hat, das Vergessen aber befreiend und belebend wirken kann.
Angewiesen auf ein enges Zimmer ist das Nachdenken über Sinn und Zweck der Kultur nur im Schreiben möglich und so beginnt eine schriftliche Rede und Gegenrede, die eher Gemeinsames als Gegensätzliches offenbart und auch heute noch spannend zu lesen ist. Veröffentlicht wird dieser Briefwechsel demnächst in einer Ausgabe von Fritz und Sieglinde Mierau beim Pforte-Verlag.

Der Streit um Bedeutung und Wesen der Kultur enthält heute noch die gleichen Fragen wie vor einhundert Jahren und er scheint kein Ende zu nehmen. Aber vielleicht ist dies gerade das Spannende, dass jeder sich auf seine Weise engagiert und damit zu vielfältiger Lebensqualität beiträgt.

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