Dem Roman „Letzte Geschichten“ der jungen polnischen Autorin Olga Tokarczuk war das Gespräch am Kamin gewidmet.

Olga Tokarczuk

Bereits 2001 und 2002 hatte Dr. Wolfgang Wessig, der seit langem die Reihe „Grenzgänge“ im Hoyerswerdaer Kunstverein gestaltet, die jeweils neuesten Werke der erst 45 Jahre alten Autorin vorgestellt. Auch diesem Abend stellte er biographische Daten, eine kurze Betrachtung zur gegenwärtigen Entwicklung der polnischen Literatur und zum Anliegen der Schriftstellerin voran. Diese neue Dichtergeneration, die aus den Gruppen hervorging, die bereits in den 80er Jahren eigene Wege suchten und nicht mehr dem Ziel folgen wollten, „die Welt zu verändern“, sondern von ihr zu erzählen, wie sie sie sehen, erreicht zunehmend Erfolg im In- und Ausland, so der Kenner der polnischen Literatur. Dabei steht Olga Tokarczuk durchaus an erster Stellen, wobei ihre Bücher stets den gleichen Themenkreis berühren, der aus dem persönlichen Erleben der Schriftstellerin erwächst, nämlich dem Erleben der Zwangsumsiedlung ihrer Eltern und Großeltern aus den östlichen Gebieten Polens an die neue westliche Grenze des Landes nach dem zweiten Weltkrieg. Daraus erwuchs Fremdheit, Sehnsucht nach Heimat und schuf das Gefühl ständiger Flucht. Für eine Psychologin, als die die Autorin ausgebildet ist, ein interessantes Thema, dem sie in ihren Büchern mit Geschichten, Fabeln, Mythen immer neue Aspekte abgewinnt:

In eben diese Welt führte Wolfgang Wessig mit seiner Lesung aus dem Teil „Parka“ des Romans seine Zuhörer hinein. Der erfahrene Theatermann verstand es meisterlich, aus dem umfangreichen Roman eine Erzählfolge auszuwählen und vorzutragen, die dem Anliegen der Autorin gerecht wurde und die Auswahl als fließende Erzählfolge hörbar werden ließ. Die Zuhörer lauschten gespannt und mit zunehmender Neugier auf den Fortgang der Erzählung, denn es boten sich ihnen ebenso verwirrende, verständliche und nachvollziehbare Erlebnisse, Betrachtungen und auch seltsame Ereignisse an, die im Gesamtzusammenhang das Bild schwieriger Zeit zeichnete, des vielen Deutschen auch nicht fremd ist. Parka, die Hauptperson wird 1939 vor dem Überfall auf Polen an einen alten Mann verheiratet. Diese muß in den Krieg, wird verwundet und es folgt zuerst die Vertreibung der Polen in den Osten mit Mord und Gewalt, dann die Umsiedlung der Ukrainer nach Westen. Während all dem damit verbundenen Leid versucht diese Frau ihr Leben und das ihrer Familie zu gestalten, sucht immer wieder nach Glück und findet es letztlich nicht. Einsamkeit breitet sich aus.
All dies erzählt Olga Tokarczuk ohne Sentimentalität, mit nahezu naiver Offenheit, aber voller Poesie, mit bezaubernden Einzelgeschichten und getragen von faszinierender Phantasie. Daraus erwuchs nach der Lesung ein lebhaftes, anregendes Gespräch, dem ein Pläneschmieden folgte, denn die Reihe wird fortgesetzt, zumal sie den Reichtum der Literatur unserer Tage und unserer Nachbarn zeigt und uns beide näher bringt.

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