Eine schöne Bescherung, die schöne neue Welt

Uwe Jordan liest von Aldous Huxley (1884-1963) "Schöne neue Welt" aus dem Jahr 1932

Uwe Jordan liest von Aldous Huyley "Schöne neue Welt", aus dem Jahr 1932Das Buch "Schöne neue Welt"- Ein Roman der Zukunft - lässt vermuten, dass die Zukunft der Menschheit schön und rosig werden wird. Oder doch nicht? Denn schon zu Beginn des Romans stellt sich heraus, dass genau das Gegenteil hier geschildert wird, eine Zukunft, in der Denken, Individualität und Phantasie keine Zukunft haben werden, eine geklonte Zukunft, in der jede Artenvielfalt erloschen ist.
Uwe Jordan stellte den Schriftsteller Aldous Huxley beim Hoyerswerdaer Kunstverein vor, geboren 1894 in Südengland, gestorben 1963 in Los Angeles. Er war Schriftsteller, Journalist und "scharfzüngiger Zeitkritiker".
Uwe Jordan wählte Huxley als Lesestoff aus, weil eine erschreckende Nähe zu unserer Zeit den Roman höchst aktuell macht. Er gibt zu bedenken, dass der Überfluss an Konsum und Wohlergehen ebenso verderblich ist wie ein engstirniges politisches System.
Gleich zu Beginn des Romans, wird dem Leser in London eine Fertilisationsstation vorgeführt, in der neue Individuen für eine neue Gesellschaft im Labor hergestellt werden, Sex ist zur Fertigung menschlicher Wesen nicht mehr nötig. Effizient werden hier reihenweise Zwillinge ohne Makel hergestellt, danach in speziellen Anlagen kandiert, zu Alphas, Betas, Deltas bis Epsilons, immer eine Stufe in der Rangordnung niedriger, die Letzten sind für die allerniedrigsten Arbeiten bestimmt. Jede Gruppe lebt in der vorbestimmten Weise ihres Ranges. Die Individuen haben alles, was sie wollen, sie begehren nichts, was sie nicht begehren können. Alle sind glücklich. Und über allen thront seine Fordschaft, dessen Name auf den Autobauer Henry Ford zurückgeht, der nun die menschlichen Wesen ebenso so dirigiert wie ehemals die Fließbandarbeit in der Autoindustrie. Im weiteren Verlauf der Handlung gibt Huxley seiner Phantasie freien Lauf und seinem Affen Zucker. Er entwirft ein Bild der Gesellschaft, wie es unwirklicher, langweiliger und trister nicht sein kann. Gibt es einmal Schwierigkeiten, kommt die Droge Soma zu Hilfe, die jedes noch so kleine Aufbegehren vergessen lässt.
Zum Schluss schickt Huxley seine Protagonisten, Bernard Marx und Helmholtz Watson, nach Mexiko. Beider Namen gehen auf Menschen zurück, die Huxley verehrte, den Dichter Bernard Shaw, den Klostergründer Bernard de Clairvaux und Karl Marx. Helmholtz geht auf einen deutschen Physiker zurück, Watson auf einen amerikanischen Psychologen. Eine Unzahl von weiteren symbolischen Namenschöpfungen verstärken die Parodie des Romans.
Bernard und Helmholtz bringen von ihrer Mexikoreise John Savage mit, einen Wilden, einen jungen Mann, der bei Indianern in einem Reservat lebte und einen dicken verschmutzten Band Shakespeare gefunden und gelesen hatte. Hier in England, in der schönen neuen Welt, stellt er Fragen, die so klug sind, dass es den Leser wach rütteln müsste. Warum kann man Othello hier nicht als Theaterstück aufführen? Antwort des Controllers, seiner Fordschaft: ... weil man es nicht verstehen würde, weil man für Tragödien gesellschaftliche Instabilität braucht. Heute ist die Welt stabil. Die Menschen sind glücklich. Es geht ihnen gut, sie sind nicht krank, sie wissen nichts von Leidenschaft, sie wissen nicht, was Freiheit ist. Man muss wählen zwischen dem Glück und dem, was die Menschheit einst Hochkunst nannte.
Der Wilde: Ich finde das alles garauenhaft. Er geht hin und bereitet seinem Leben ein Ende.
Es ist heute nur noch zu ahnen, welche Wirkung der Roman in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte.
Der englische Titel des Romans Brave New World geht auf ein spätes Werk von Shakespeare "Der Sturm" zurück, das im 8. Kapitel sinngemäß zitiert wird. Dort heißt es: O Wunder! Wie viele herrliche Geschöpfe gibt es hier! Wie schön ist die Menschheit! O brave new world - O schöne neue Welt, die solche Wesen trägt" Das Zitat lässt Shakespeare Miranda sprechen, die vordem auf einer abgeschiedenen Insel lebte und nun nach Mailand kommt und die schöne neue Welt womöglich wörtlich meint? 
Bei Huxley wird diese allerdings zur unmöglichsten aller Welten. Welchen Titel sollten deutsche Lektoren 1932 finden, um die beißende Ironie Huxleys darin zu verstecken? Vorschläge waren: Wackere neue Welt. Fortschritt wohin? Welt am laufenden Band. Herrlich weit gebracht. 1932 erschien er unter dem Titel Welt wohin? in einer Übersetzung von Herberth E. Herlitschka, der die Handlung von London nach Berlin verlegte und die Namen auf aktuelle deutsche Zustände änderte. 1953 gab man den Roman im Fischer-Verlag unter dem Titel Schöne neue Welt heraus.
1978 verlegte Das Neue Berlin in Berlin Friedrichstraße eine Übersetzung von Eva Walch mit dem Titel von Fischer, allerdings wird der Schauplatz nun wieder nach London verlegt und die originalen Namen kehren zurück. Die neueste deutsche Übersetzung stammt von Uda Strätling aus dem Jahr 2014.
Der Ausspruch Schöne neue Welt wird zum Synonym der Visionen der Menschheit für eine düstere Zukunft, die ins Leere oder ins Nichts läuft. Auch wenn nicht jeder, der den Titel benutzt, den Roman wirklich gelesen hat. Versuchen wir es, es lohnt sich auf alle Fälle, ganz gleich in welcher Übersetzung.

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