Weltgeschichte - aus Geist, Licht und Staub bei Stefan Heym

Uwe Jordan liest aus dem Roman "Ahasver" von Stefan Heym beim Hoyerswerdaer Kunstverein.

Konzentriert versucht Uwe Jordan zu erklären, warum für ihn das Buch "Ahasver" ein Geniestreich ist des Stefan Heym.Der Roman "Ahasver" von Stefan Heym erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Man muss sehr intensiv lesen oder, wie im Fall einer Lesung von Uwe Jordan, konzentriert zuhören.
Für Uwe Jordan gehört der erste Satz des Romans zu denen, den man sich merken sollte, weil bereits in diesem "der Atem" des Werkes spürbar wird. Er ist denkbar kurz: Wir stürzen. Wer hier stürzt, wird man im Verlauf der Erzählung erfahren. Ist es der Mensch, der, wie in der Schöpfungsgeschichte der Bibel zu lesen, am sechsten Tag von GOtt nach seinem Ebenbild erschaffen wurde? "So sahen wir, wie Er aus der ganzen Erde ein Staubkörnchen nahm und von allen Wassern ein Wassertröpfchen und von aller Luft ein Windlüftchen und von allem Feuer ein wenig Hitze und wie er diese vier schwachen Elemente, Kälte, Wärme, Trockenheit und Feuchtigkeit, in Seine hohle Handfläche legte und wie er daraus den Adam bildete."
Oder sind es seine Gegenspieler, Lucifer als Träger des Lichtes und Ahasver, der Aufrührer, der ewige Jude, als Verkörperung des Geistes? Diesen beiden befiehlt GOtt, dem Menschen zu huldigen, was sie ablehnen, wie auch sollten sie einem Wesen huldigen, das aus Staub gemacht ist? So wandert der Mensch durch die Jahrhunderte, getrieben von einem unruhigen Geist und von einem Licht, dass ihn blendet und in die Irre führt.
Stefan Heym lässt einen gewissen Paul von Eitzen agieren, den Lucifer und Ahasver unaufgefordert begleiten, seinen Lebensweg in einem ewigen Wechselspiel zwischen vorwärts und rückwärts steuern, zwischen Wollen und Nicht-Wollen, zwischen Selbstbewusstsein und Zweifel, zwischen Stürzen der Mächtigen und Festhalten an der neuen Macht. Ahasver verkörpert die Sehnsucht, Missstände nicht zu dulden, sondern zu ändern, Lucifer ist immer dann zur Stelle, wenn die neu geschaffene Ordnung in die alten Muster menschlichen Handelns zurück fällt. Zu erleben ist Paul von Eitzen mit Lucifer in Auerbachs Keller und mit Melanchton an der Tafel Luthers, im höchsten kirchlichen Amt im Schleswigschen, am Berg Golgatha mit Jesus, dem Rabbi, und gemeinsam mit Lucifer und Ahasver schwebend über der Berliner Mauer. Alles von Stefan Heym mit Witz und Ironie erzählt und von Uwe Jordan ebenbürtig vorgetragen.
Vieleicht, so könnte man vermuten, hat der Mensch, dieses Lebewesen aus Staub, gar keinen eigenen Willen, vielleicht wird er zwischen den beiden Polen, dem Geist der Vernunft und dem verführerischen Schein hin und her gerissen und muss sich nach dem Willen GOttes entscheiden, wohin sein Weg führen soll, was wiederum sehr wohl mit einem eigenen Willen zu tun hätte. GOtt: "Ich habe die Welt erschaffen und den Menschen, aber einmal da, entwickelt ein jegliches seine eigenen Gesetze, und aus Ja wird Nein und aus Nein wird Ja, bis nichts mehr ist, wie es war, und die Welt, die GOtt schuf, nicht mehr erkennbar selbst dem Auge ihres Schöpfers." GOtt ist enttäuscht von Ahasver, er hätte Gescheiteres von ihm erwartet im Hinblick auf den Menschen.
So ist der fast letze Satz des Romans die Wiederholung des ersten: Wir stürzen. "Durch die Endlosigkeit des Abgrunds, der Raum ist und Zeit zugleich, in dem es kein Unten gibt und kein Oben, kein Rechts und kein Links, nur die Ströme der Teilchen, die noch nicht geschieden sind in Licht und Dunkel, ein ewiges Dämmern." Und so bleibt von Geist und Aufruhr nur ein großer Gedanke, ein Traum.
Thema des Ahasver auch in der Bildenden Kunst. Lasar Segall (Mitglied der Dresdner Sezession): Die ewigen Wanderer 1919. Man sieht, genügend Stoff zum Nachdenken und zum Nachlesen in der bei Heym zu Grunde gelegten Literatur, im Alten und Neuen Testament der Bibel, bei den Thesen zur Reformation, in der Geschichte Israels und Palästinas, bei den ursprünglichen Idealen eines " Instituts für wissenschaftlichen Atheismus" in Berlin und bei den Philosophen in aller Welt, die Ähnliches über die Jahrhunderte erörterten und zu keinem Ergebnis kamen.

 

 

  

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