Sächsische Zeitung -Gedanken zum Wochenende-

Uwe Jordan

Uwe Jordan hat Donnerstag einen recht merkwürdigen Anruf erhalten.  
Mittwoch feierte die Hoyerswerdaer Brigitte-Heimann-Begegnungsstätte ihren 1. Geburtstag. Das war uns am Donnerstag einen Beitrag wert - und mir einen Kommentar im Zentralteil („Bei Brigitte", 22. März/ S. 9), in dem ich bedauerte, dass die Hoyerswerdaer ihrer Schriftstellerin weitaus weniger Liebe entgegenbringen als Auswärtige: Das Gros der Besucher jener Begegnungsstätte stammt nicht von der Schwarzen Elster. Immerhin hat doch aber Brigitte Reimann mit ihren Büchern »Ankunft im Alltag und ganz besonders der „Franziska Linkerhand" Hoyerswerda europa-, ja weltweit bekannt gemacht. Doch das Sprichwort gilt eben auch heute: „Der Prophet gilt im eigenen Lande nichts." Und, ergänze ich: Er kann sogar noch sehr froh sein, wenn es bei solcherart Nicht(be)beachtung bleibt.
Aber das ist der Reimann nicht vergönnt. Ich erinnere mich eines Brigitte-Reimann- Spazierganges, bei dem Helene Schmidt für Besucher vor der Gaststätte „Glückauf" aus jenem „Linkerhand"-Kapitel las, in dem diese heute geschlossene Schankwirtschaft eine Rolle spielt. Aufklappte da ein Fenster im Wohnblock, zu dem die Hörenden mit dem Rücken standen; „Die HURE!" brüllte es heraus, zu ging das Fenster und die Gardine herunter.
 Jürgen v, Woyski „TänzerinNoch Wunderlicheres trug sich diesmal zu. Am Donnerstag meldete sich „Volkes Stimme" am Telefon. Wirklich - „Volkes Stimme": Man möge doch nachdenken, warum die Hoyerswerdaer der „trunksüchtigen Nymphomanin" B.R. so wenig Wohlwollen entgegenbrächten! Lage das, nebst dem Geschriebenen freilich, nicht zu großen Teilen auch am Lebenswandel dieser Person? Wenn er: nein: sie, also Volkes Stimme, hier etwas positiv bemerkenswert fände, dann den Umstand, dass zwei doch recht christlich-konservative Menschen an der Spitze des Kunstvereins ihre Toleranz und Großmut so weit gedeihen ließen, jene moralisch zutiefst verkommene B.R. nicht nur zu akzeptieren, sondern sogar zu protegieren, das sei aber auch alles.
Um jetzt Hoyerswerdas Ehre zu retten: Wenn in einem Auditorium von 100 Leuten einer lauthals den Referenten beschimpft und die restlichen 99 in schweigender Zustimmung für den Vortragenden verharren (vielleicht ist es ihnen ja peinlich, in selber Weise dem Kontra ein Pro entgegenzusetzen) - was nimmt die Öffentlichkeit wahr? Insofern ist auch unsere hier zitierte Volkes Stimme wahrscheinlich nicht Volkes Stimme, sondern eine Stimme aus dem Volk. Eine.

P.S.: Die Geschichte erinnert mich auch an Jürgen v, Woyskis Plastik „Tänzerin" ,die 1956 ähnlichen Hass erfuhr.
Heute ist sie im Außen-Bild und für die Hoyerswerdaer selbst eine der liebenswertesten Stadt-Facetten.

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