Vortrag von Dr. Siegfried Foelz, Schmochtitz zum 100. Geburtstag der Philosophin Hannah Arendt unter dem Titel „Denken ohne Geländer“

Hannah Arendt

Hannah Arendt hat sich zeitlebens nicht als Philosophin gesehen, sondern als Theoretikerin für Politik. Spätestens aber nach dem Vortrag von Dr. Foelz weiß man, dass Hannah Arendt eine ganz außergewöhnliche Philosophin war.
Nach ihrer Meinung betreiben die Philosophen das Denken um des Denkens willen, sie aber will, dass Denken zum Handeln führt und zwar zu politischem Handeln. Ihr wichtigstes Werk nennt sie deshalb auch „Vita activa oder vom tätigen Leben“. Das politische Handeln ist bei ihr allerdings immer verbunden mit „Vergeben und Versprechen“ und das ist neu. Das Versprechen in der Politik erfahren wir heute meist als negativ, bei ihr aber ist es eine Verpflichtung, die Respekt vor dem anderen und der Wahrheit geradezu fordert. Noch schwieriger ist es mit dem Verzeihen, denn das Verzeihen ist ein urmenschlicher Akt, der Liebe voraussetzt und zu politischem Handeln führt, zu politischem Handeln, das nur in der Gemeinschaft möglich ist und das Sprechen miteinander jeder anderen Konfliktbewältigung vorzieht. Denn der Mensch wurde geschaffen, dass ein Anfang sei. Mit dem Geborensein und der Einmaligkeit eines jeden Individuums beginnt alles Sein wieder von vorn und ist neu zu gestalten. Politik bedeutet nicht Ausdruck von Willkür, sondern Ausdruck von Freiheit und Verantwortung. Der einzelne aber ist nicht frei, Freiheit ist nur im Zusammenleben möglich. Dieses neue Denken nennt sie „Denken ohne Geländer“ oder ein „Wagnis ohne Geländer“. Denn jeder einzelne wird von ihr zur Verantwortung verpflichtet. Diese Denkweise war in Deutschland während des Dritten Reiches abhanden gekommen und ermöglichte ein totalitäres System, in welchem der einzelne überflüssig und ersetzbar geworden war.
Der Lebensweg Hannah Arendts führte von Hannover, wo sie 1906, vor 100 Jahren, geboren wurde, über Königsberg nach Marburg, Heidelberg, Freiburg und Berlin. Die wichtigsten Philosophen ihrer Zeit werden ihre Lehrmeister: Heidegger, Husserl und Jaspers, deren Ideen sie aufnimmt und fortführt, ganz konsequent fortführt ins Politische, das ihr förmlich durch die Umstände aufgezwungen wird, da sie bereits 1933 als Jüdin aus Deutschland emigrieren muss, in Frankreich 1940 erneut verfolgt wird und 1940 in die USA flieht. Von 1963 an lehrt sie dort an verschiedenen Universitäten und wird bis zu Ihrem Tod im Jahr 1975 mit vielen Ehrungen bedacht. Verheiratet war sie mit Günter Anders und Heinrich Blücher. Ihr Glauben war an keine Religion gebunden, Gottvertrauen hieß ihr Credo.
In die Kritik ist sie mit ihrem Bericht über den „Eichmann-Prozess“ geraten, vielen Juden war ihre Auffassung, dass das Böse nur einfach banal und oberflächlich ist und derart unbedacht jeder beliebige handeln könnte, zu wenig kritisch und zu wenig anklagend.
Das Bild, das Dr. Foelz von Hannah Arendt vermittelt, ist das Bild einer höchst lebendigen Frau, deren Philosophie in der Realität zu Hause ist. „Ihre Anwesenheit in der Welt aber gab der Welt einen neuen Charakter, ihre Zeit wird erst noch kommen“. Einen kleinen Hauch davon konnten die Zuhörer bereits spüren.

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