Sachsen und Böhmen - ein Vortrag von Erich Busse

Erich Busse bei seinem Vortrag über Böhmen und Sachsen beim Hoyerswerdaer Kunstveein 2020Mit immer wieder neuen Themen zu Weltgeschichte und Religion überrascht Erich Busse seit Jahren die Zuhörer beim Hoyerswerdaer Kunstverein. Dieses Mal hatte er einen Beitrag aus unserer unmittelbaren Umgebung ausgewählt: "Böhmen und Sachsen - Kirchliches und Menschliches - Freud und Leid einer Nachbarschaft im Herzen Europas". Für ihn wichtig im Lauf der Zeiten: wie verhalten sich einzelne Personen, sind sie ihren Aufgaben gewachsen, wie verändern sie ihre Welt? Besonders kritisch richtet er sein Augenmerk auf das Verhalten von kirchlichen Amtsträgern der verschiedenstenen Konfessionen.
Viele seiner Protagonisten will er vor dem Vergessen bewahren. Und immer wieder ist man erstaunt, welche Zusammenhänge sich bei ihm erschließen.
Erich Busse beginnt mit Judith von Thüringen. Sie wurde 1153 die zweite Frau des böhmischen Fürsten Vladislav II. und ist an seiner Seite von 1158 bis 1172 Königin von Böhmen. Vladislav II. hatte Barbarossa bei seinen Kreuzzügen unterstützt, erhielt dafür die Königswürde und das Gebiet um Bautzen. Unter dem Einfluss von Judith werden mehrere Klöster geründet und in Prag wird eine Brücke über die Moldau gebaut, die spätere Karlsbrücke, deren Brückenturm an der Kleinseite noch heute an sie erinnert. Doch wer von uns weiß das schon?
Heinrich der Erlauchte, Markgraf von Meißen und gleichzeitig Minnesänger, in zweiter Ehe verheiratet mit Agnes von Böhmen, wird das Kloster in Neuzelle gründen. Karl IV. , nach dem die Karlsbrücke in Prag benannt ist, residierte im 14. Jahrhundert auch in Tangermünde und wollte die Stadt zur zweiten Residenz neben Prag ausbauen, die Hohenzollern aber hatten andere Pläne. Doch 1909 stiftete Wilhelm II. für Karl IV. in Tangermünde ein Denkmal, das noch heute an diese Zeit erinnert.
Die nächsten Stationen von "Freud und Leid einer Nachbarschaft" findet Erich Busse in den böhmischen Gebieten um Prag, in Saaz gibt es eine der ältesten Handschriften des europäischen Humanismus: "Der Ackermann und der Tod", hier klagt ein Bauer vor Gott sein Recht auf Lebensglück und Liebe ein, das war "ketzerisch" neu.
In Prag erinnert er an die erste Universität nördlich der Alpen im Jahr 1348 und an den Auszug der deutschen Studenten 1409, der zur Gründung der Universität in Leipzig führte. Alles hing mittelbar mit Jan Hus zusammen, der bereits 1402 gegen die weltlichen Ansprüche der katholischen Kirche opponierte, in tschechischer Sprache predigte und mehr Mitspracherechte für tschechische Studenten und Professoren gefordert hatte. Die in der Folge davon sich ausbreitenden Hussitenkriege von 1419 bis 1436 brachten nicht nur Recht, sondern auch viel Unecht über halb Europa mit sich und Tausende von Toten. Jan Hus wurde am 6. Juli 1452 auf dem Scheiterhaufen zum Konzil in Konstanz verbrannt, nachdem er erwartet hatte, das Kaiser Sigismund ihn anhören und verstehen würde. Er wurde getäuscht.
Die Auswirkungen der Hussitenkriege waren noch 1467/68 in Hoyerswerda zu spüren, als die Burg vom Sechsstädtebund erobert und anschließend völlig zerstört wurde. Der böhmische König Georg von Podiebrad hatte den Glauben von Jan Hus angenommen, daraufhin fielen die Mitglieder des Sechsstädtebundes von ihm ab und blieben dem Papst treu, der Georg von Podiebrad zum Ketzer erklärt hatte. Der Hoyerswerdaer Friedrich von Schönburg wiederum blieb dem König treu und so wurde die Burg Hoyerswerda ein Zufluchtsort für Hussiten. Deshalb zogen die Truppen der Oberlausitzer Städtebundes gegen Hoyerswerda und die Burg fiel.
Einige Merkwürdigkeiten von Geschichte kann man am Jan-Hus-Denkmal in Prag auf dem Altstädter Ring eindrucksvoll erleben: 1915, mitten im 1. Weltkrieg, errichtet die Stadt ein riesiges Denkmal für Jan Hus, das fast alle Zuhörer kennen. Zitat Erich Busse: "Es ist die Zeit der Herrschaft der "allerkatholischsten" Habsburger." 1926 erklärt die tschechische Regierung den 6. Juli zum Nationalfeiertag, der Vatikan bricht die dipolomatischen Beziehungen für drei Jahre ab.
Die Mariensäule in Prag am Altstädter Ring, Stahlstich nach einer Zeichnung von Adrian Ludwig RichterIn unmittelbarer Nähe von Jan Hus stand eine Mariensäule, die auf den Hinrichtungsplatz der "Schlacht vom weißen Berg von 1620" blickte, auf dem zu Beginn des 30-jährigen Krieges protestantische Adlige hingerichtet wurden, die sich gegen die Herrschaft des Habsburger erhoben hatten. Man hatte die Säule am Ende des 30-jährigen Krieges als Dank für die Rettung Prags vor den Protestanten und vor dem schwedischen Heer errichtet. 1918 wurde sie zerstört. 2020 hat man sie wieder aufgestellt und so begegnen sich hier nun Jahrhunderte im Auf und Ab der Zeiten.
Erich Busse folgt den Sachsen und Böhmen weiter bis in unser Jahrhundert, das von Aussöhnung und gegenseitiger Vergebung für die Gräuel im und nach dem  Zweiten Weltkrieg geprägt ist. Als Beispiel nennt er Jaroslav Ostrcilík aus Brünn, der jedes Jahr Ende Mai einen "Marsch der Versöhnung von Pohorelice nach Brno" organisiert, der an den Brünner Todesmarsch erinnert, bei dem nach 1945 bis zu 2000 vertriebene Deutsche ums Leben kamen. 2018 erhielt er dafür von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Bundesverdienstmedaille.
Wünschenswert wären für mich, mehr solche Zeichen der Versöhnung auch von deutscher Seite.

 

 

 

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