Zu Gast beim Kunstverein war Johann Kasper aus Zeißig

Johann Kasper mit Dieter Tempel

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? An dieses Gedicht von Goethe haben sicher viele Zuhörer an dem Abend mit Johann Kasper gedacht. Denn von Beginn an nahm Johann Kasper die Zuhörer gefangen, indem er sehr kurze und knappe Geschichten aus den vergangenen fünfzig Jahren vortrug, die sich sozusagen vor der Haustür abspielten. Vor dem geistigen Auge der Zuhörer wird eine Zeit lebendig, die viele hautnah miterlebt haben. Mit Humor gewürzt werden Geschichten aus der Schulzeit in Bautzen zu Gehör gebracht. Man erfährt, dass der Erzähler einer der ersten war, der als einfacher Bauernjunge im Jahr 1949 eine Fachschule für Landwirtschaft besuchen konnte und dort mit Freude lernte. 
Das war übrigens der Auftrag des Vaters; wenn die Eltern schon allein mit der Arbeit auf dem Hof zu Recht kommen mussten, sollte sich der Sohn im Gegenzug mit Freude und Eifer das Wissen aneignen, das Menschen ihres Standes bisher verwehrt war. Mit viel Begeisterung ist Johann Kasper dann selbst viele Jahre Lehrer an dieser Schule gewesen.
Mit Spannung darf man sicher auch den neuen, im Entstehen begriffenen Roman, über den Zeißighof erwarten. Eingebettet in die Vorbereitungen zur Taufe des Juri Kokuria entsteht das Dorfleben mit all seinen Sitten und Bräuchen sehr lebendig. Die Dorfgemeinschaft wird durch gemeinsames Arbeiten und gemeinsames Feiern zusammengehalten. Spirituosen für die Taufe müssen beim Dorfschulzen bezogen werden, Markt- und Schlachtrechte hat auch nicht jeder, aber beim gemeinsamen Schwarzbrennen ist man sich einig. Dass auch die Arbeit zur Freude werden kann, erzählt Johann Kasper bei einer Schilderung des sommerlichen Heueinfahrens der durchweg kleinen Bauern von Zeißig, so dass man fast neidisch wird, dass es so etwas heute nicht mehr gibt. Die meisten von ihnen haben in der Mitte des 18. Jahrhunderts Land und Hof gekauft und zahlen die Schulden oft bis ins 20. Jahrhundert hinein ab.
Zum Markt fährt man in die „Stadt“. Und das ist Hoyerswerda. Später hat sich diese Kleinstadt zur großen Stadt entwickelt. Bangigkeit der Dorfbewohner vor diesem Riesen machte sich breit. Die Ängste wurden kleiner als man in den großen Fabriken und Tagebauen gemeinsam arbeitete und Geld verdiente. Die „Neuen“ suchten aber auch nach dem Besonderen in dieser Gegend und fanden eine reiche alte Kultur in den Dörfern, ganz abgesehen davon, dass einige auch nichts sahen oder nichts sehen wollen. „Mit den Jahren wurde die Stadt wieder die unsrige“, so die Reminiszenz von Johan Kasper an Hoyerswerda. Diese Sicht macht froh, aber auch nachdenklich, nachdenklich darüber, dass die „Neuen“ anfangs wenig Gespür für die gewachsenen Strukturen der umliegenden Dörfer gezeigt haben.
Das eingangs erwähnte Gedicht, endet mit den Zeilen: Lerne nur das Glück ergreifen, denn das Glück ist immer da. Dieses Glück spürt man bei Johann Kasper in allen seinen Erzählungen und in seinem Leben, auch wenn es nicht immer nur heiter war. Er fühlt sich reich und glücklich, reicher als die Reichen dieser Welt, weil er noch leben kann, wo er geboren wurde, weil er noch fähig ist, zu denken und sich über Blumen und Schwalben freuen kann und weil er in der Stille seine Sicht auf die Dinge erweitern kann.

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