Was können Dichter bewirken?

Buchpremiere "Erziehung eines Helden". In der Mitte Kristina Stella mit ihrem Mann, Professor Dr. Klaus Lepsky (links), rechts Thomas Pitschmann. Außen links Holger Fahrland, ehrenamtlicher  Chef der Lausitziale, außen rechts Ulrich Meißner vom MDR Leipzig.Buchpremiere "Erziehung eines Helden" von Siegfried Pitschmann ( 1930-2002), herausgegeben von Kristina Stella, vorgestellt im Spreekino in Spremberg. Der Abend wurde von der LAUSITZiale gestaltet, einem Verein, der regionale Filmfestivals zu aktuellen Themen der Lausitz in Spremberg und im Lausitzer Seenland initiiert. Moderation Ulrich Meißner, MDR Leipzig.

Gemeinhin sagt man, dass die Dichter die Welt nicht verändern können. Aber ganz konsequent und tiefgründig hat das noch keiner erforscht. Dass aber die Dichter eine ungeheure emotionale Wirkung ausüben können, war am Abend der Buchpremiere "Erziehung eines Helden" von Siegfried Pitschmann sehr augenscheinlich zu spüren. Es war zu sehen und hören, dass Literatur Menschen zusammenführt und fasziniert. Faszination und Begeisterung für ihren Beruf war zweifellos auch bei der Herausgeberin Kristina Stella zu erleben. Im Hauptberuf ist sie Bibliothekarin an der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt/Main und im Nebenberuf Bibliografin von Brigitte Reimann. Im Rahmen dieser Tätigkeit fand sie bereits einen unveröffentlichten Briefwechsel zwischen Brigitte Reimann und Siegfried Pitschmann, den sie unter dem Titel "Wär schön gewesen" 2013 editierte. Und heute stellt sie den Roman "Erziehung eines Helden" vor, geschrieben von Siegfried Eine Szene, nicht zu den Werktätigen der sozialistischen Gesellschaft passte.Pitschmann in den Jahren 1958 bis 1959. Das Manuskript fand sie im Nachlass Pitschmanns, der von Undine, der vierten Ehefrau Pitschmanns und den Kindern, Thomas, Nora und David aufbewahrt und dem Literaturzentrum Neubrandenburg als Dauerleihgabe überlassen wurde. Es ist die Tragik der Umstände, die damals den Druck des Manuskripts verhinderten, die Zeit, in der ein DDR-Schriftsteller euphorisch und kämpferisch über das Leben der Werktätigen berichten sollte, in der kein Platz für tragische Helden, für Kälte und Übermüdung in der Nachtschicht auf einer Baustelle war, für karge Verhältnisse und Alkohol in den Bauarbeiterunterkünften und für fehlende technische Geräte und Ersatzteile. Das verstand vor allem der damalige Sekretär des Schriftstellerbandes, Erwin Strittmatter, als harte Schreibweise, die den Einfluss von Ernest Hemingway deutlich erkennen lasse und somit klassenfeindliche Tendenzen aufweise. So blieb das Werk unveröffentlicht und Siegfried Pitschmann zerbrach fast daran. Es war seine damalige Ehefrau Brigitte Reimann, die ihm Mut machte, trotz allem weiter zu schreiben. Allerdings war es später wiederum Erwin Strittmatter, der Pitschmann nach seinem Selbstmordversuch besuchte, der Pitschmann und Reimann bei dem Bezug einer Wohnung in Hoyerswerda unterstützte und später Teil-Veröffentlichungen Pitschmanns begleitete. Für Pitschmann aber wurde das Schreiben von nun an mühsam und schwer, zumal Brigitte Reimann sich zu Höhen aufschwang, die er glaubte, niemals erreichen zu können.
In dem Buch finden sich neben den sehr genauen, sprachlich ausgefeilten Schilderungen des Baustellenlebens in Schwarze Pumpe auch charmante Sätze zu Hoyerswerda, wo der Protagonist King wohnt: "Der lange, dreistöckige Block, noch nicht verputzt, stand quer im Gelände, und als der King nun zum zweiten Eingang hinunter ging, hatte er das inständige, friedliche Gefühl, nach Haus zu kommen... er konnte sich kaum vorstellen, jemals wieder wegzuziehen." Dieses Gefühl konnten viele, der aus allen Teilen der Republik nach Hoyerswerda oder Spremberg Gezogenen, Siegfried Pitschmann nachempfinden.
Lebendig wird in der "Erziehung eines Helden" eine kleine Spanne Zeit, Sommer und Herbst 1957, beim Aufbau des Kraftwerks Schwarze Pumpe, in der ein namenloser Pianist eine neue Lebenserfahrung sucht. Sehr viel Eigenes und genau Beobachtetes hat Siegfried Pitschmann in diese Erzählung hineingegeben, und genau so lebendig wie damals erschien das Erzählte heute den vielen Zuhörern, die zur Ein Bild von Siegfried Pitschmann und Brigitte Reimann, das in den Jahren, als das Buch "Erziehung eines Helden" geschrieben wurde, entstand.Premiere zusammengekommen waren, gekommen aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen, um das Werk eines fast vergessenen Dichters zu ehren. Es war natürlich die Herausgeberin, Kristina Stella, selbst, ihr Mann, Professor Dr. Klaus Lepsky und der älteste Sohn Siegfried Pitschmanns, Thomas Pitschmann, vertreten waren Zeitzeugen des Aufbaus und heutigen Rückbaus des Gaskombinats Schwarze Pumpe, Filmenthusiasten und Literaturbegeisterte. Das also kann ein Dichter nach mehr als 50 Jahren bewirken, wenn ihm Dank einer Germanistin wie Kristina Stella eine Plattform gegeben wird. 
Nach der Buchpremiere rundete der Film "Hunger auf Leben" (2004) den Blick auf Siegfried Pitschmann ab, auf sein bewegtes Leben mit Brigitte Reimann in den Jahren 1958 bis 1964.

Das Buch "Erziehung eines Helden" von Siegfried Pitschmann ist erhältlich im Buchhandel unter ISBN 978-3-8498-1100-6.

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