Kathleen Schäfer stellt ihre Magisterarbeit Arbeit zum Thema „Das Dialogische im Werk Brigitte Reimanns“ im Festsaal im Schloß Hoyerswerda vor.

Das erste Gespräch am Kamin dieses Jahres, das der Hoyerswerdaer Kunstverein am vergangenen Dienstag gestaltete, war Brigitte Reimann, der Schriftstellerin unserer Stadt gewidmet. Sie hatte auch vor nunmehr vierzig Jahren die Entstehung dieses Freundeskreises Kunst und Literatur begleitet.
Seit Jahren – in den jüngst vergangenen übrigens in zunehmender Anzahl – werden an Universitäten und Hochschulen Magister- und Doktorarbeiten zum Werk dieser DDR-Autorin geschrieben. Eine davon wurde an diesem Abend von Kathleen Schäfer, einer Tochter unserer Stadt, vorgestellt. Mit ihrer Arbeit zum Thema „Das Dialogische im Werk Brigitte Reimanns“ eröffnete die Magistra Artium eine Folge von Gesprächsabenden, die der Kunstverein in diesem Jahr mit Absolventinnen verschiedener deutscher Universitäten führen wird.
Mochte die Formulierung des Titels zuerst auch manchem Besucher etwas wissenschaftlich abstrakt erscheinen, entwickelte sich der Abend ganz in anderer Richtung. Die junge Hoyerswerdaerin nahm vom ersten Augenblick an ihre Zuhörer gefangen. Locker, frei von den Zwängen eines Manuskripts erzählte sie von der Suche des Themas, von ihrer ersten Begegnung mit dem Roman „Franziska Linkerhand, den sie bereits als Schülerin las und den sie – wie sie heute lächelnd gestand – damals „nicht verstanden“ hätte. Damit überspielte sie geschickt die Tatsache, dass jedes wirklich große Kunstwerk – egal aus welcher Epoche – jedem Betrachter oder Leser in ihren verschiedenen Altersstufen und damit je nach Erfahrungsschatz neue Erkenntnisse vermittelt. Das Verhältnis, das sich auf Grund dieser Tatsache zwischen Künstler und Kunstfreund bildet, ist entscheidend für Verständnis und Freude an Kunst aller Zeiten.
Kathleen Schäfer wurde neugierig auf Brigitte Reimann bzw. deren Bücher, weil diese in Hoyerswerda spielten, gestand sie freimütig, dann aber ließen diese sie auch nicht mehr los. Dies war zwar schon ein indirekter Dialog, doch dann fesselte sie viel stärker die in dem Roman von der Schriftstellerin angewandte direkte Form: Das Buch wird bestimmt von einem Brief, den die Architektin Franziska an ihren Geliebten Ben schreibt und der mit der Frage. „Ben, wo bist du?“ beginnt. Diese steht nun auch über der Magisterarbeit Kathleen Schäfers und bestimmte daher ungenannt das sehr freundliche, einander zugeneigte und offenherzige Gespräch zwischen der Referentin und ihren Zuhörern. Den Wert eines Kunstwerkes – und ein solcher Dialog rechnet auch dazu – wird nämlich, wie die Germanistin sehr richtig formulierte, nicht durch das „Was“ bestimmt, das ein Kunstwerk behandelt, sondern dadurch „Wie“ eine Begegnung, ein Gespräch, ein Erlebnis wiedergegeben wird. Dabei berichtet der Künstler allerdings auch immer viel über sich selbst. Das dürfe aber nicht zu dem Irrtum führen, alle Literatur sei autobiographisch, jede Aussage sei eine der Autorin. Gerade bei Brigitte Reimann sei die künstlerische „Verdichtung“ sehr groß, ohne dass sie alles selbst erlebt habe.
Der Abend steckte voller Anregungen zum Nachdenken, die Kathleen Schäfer locker, heiter, immer wieder einmal über sich selbst staunend oder auch mit freundlicher Selbstironie, ohne pädagogischen Zeigefinger, mehr plaudernd und doch sehr geschickt formuliert, sehr gut durchdacht und gerade deshalb umso besser verständlich darbot. Da war von der Geschichte des Briefeschreibens bis zurück ins Mittelalter zu hören, von den berühmten Briefromanen der Weltliteratur und deren Autoren, von der Frage, ob Briefe eine „weibliche Gattung“ seien, was sie mit Hinweis auf bekannte männliche Korrespondenten widerlegte.
Immer wieder kam die Vortragende auf unsere einstige Mitbürgerin zurück, beschrieb die Zeit und die Bedingungen, unter denen sie schrieb und wer ihre Briefpartner waren. Mit jedem derselben ging Brigitte Reimann anders um, je nach ihrem Verhältnis zu ihm, aber mit jedem sprach sie ehrlich, ganz aus dem Herzen – mit ihrer Jugend-Freundin Irmgard Weinhofen -, achtungsvoll aufblickend mit der Berufskollegin Christa Wolf und lerneifrig „mit Respekt und Vergnügen „ – wie auch der Titel der Briefausgabe heißt – mit dem Architekten Hermann Henselmann. Die Referentin schenkte ihren Zuhörern nicht nur großes Hör- und Denkvergnügen, sondern brachte auch die Autorin, deren Zuneigung zu unserer Stadt und die vielfachen Anregungen zur Gestaltung des Miteinanders hier und heute nahe. Schließlich trieb die Schriftstellerin geradezu eine Sehnsucht nach Gespräch, ein absoluter Wille zum Dialog, der alle Fragen dieses Lebens einschließt und der Gemeinsamkeit einen neuen Stellenwert schenkt. Genau dies vermittelte aber auch dieses Gespräch am Kamin, das sich in der langen Reihe dieser Begegnungen sehr wohltuend einordnet und auch als Höhepunkt ausnimmt.

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