Andreas Tretner zur neuen Genartion russischer Schriftsteller

Das Miteinander der Völker in Europa, das seit dem Ende des kalten Krieges, seit dem Fall der Berliner Mauer, der deutschen Einheit und seit der Erweiterung der EU das erklärte Ziel der Politik ist, bedarf natürlich vor allem der Kenntnis der Partner, ihrer Sprache, Geschichte und Kultur. Dies wurde beim jüngsten Gespräch am Kamin des Hoyerswerdaer Kunstvereins am Donnerstag im Kleinen Festsaal des Schlosses sehr deutlich.
Zu Gast in dem Freundeskreis der Künste und Literatur war Andreas Tretner, einer der bekannten Übersetzer und Nachdichter zeitgenössischer russischer Literatur in Deutschland. Er wollte über gegenwärtige inhaltliche Tendenzen und Neuerscheinungen russischer Autoren sprechen.
Tretner hatte sich bewusst keinen einzelnen Autor und dessen Werke vorgenommen, sondern stapelte auf dem Tisch sechs der neuesten Bücher, die auf dem deutschen Büchermarkt jüngst erschienen, um anhand dieser Leseinteresse zu wecken und darauf neugierig zu machen, was russische Schriftsteller und Buchfreunde heute bewegt. Das sei vor allem – so der Kenner – das Bild, das der Westen von Russland habe wie auch umgekehrt. Den Literatur- und Geschichtskennern sei seit Jahrhunderten der Unterschied zwischen den «Slawophilen» , den Vertretern einer völlig eigenständigen Kultur in Russland, und den «Westlern» , jenen Menschen, die sich für einen Austausch mit dem Westen einsetzen, bekannt. Das wirksamste Beispiel für letztere Haltung war Zar Peter der Große.
Dies alles dürfe für Literatur nicht zum Maßstab werden, zumal russische Literatur, die der Gast und seine Kollegen zu vermitteln suchten, so vielfältig in Stil, Themen und Ausdrucksweise sei, dass dafür nur gelten kann, ob ein Text gut sei. Denn dann gäbe weder ein falsch noch ein richtig.
Damit schlug der Redner das erste der mitgebrachten Bücher auf, erzählte jeweils kurz den Lebenslauf der sechs Autoren, die zu der noch jungen Generation gerechnet werden, um dann eine oder zwei Erzählungen auszuwählen und davon immer eine speziell vorzustellen. Dabei zeigte sich, dass nicht nur Wladimir Kaminer, der seit mehr als einem Jahrzehnt in Berlin lebt, die Nähe zum Westen sucht, sondern andere auch in den USA arbeiten.
Andreas Tretner hatte von Julia Kissina «Vergiss Tarantino» ausgewählt, stellte Pavel Lembersky «Fluss Nut» dazu und zitierte von Boris Jewsejew «Der Sturzflug des Falken» , um dann noch einmal ausführlicher auf Wladimir Kaminer als „Sonderfall“ russischer Literatur zu sprechen zu kommen, der in Deutschland mehr gelesen würde als in Russland, zumal er in deutscher Sprache schreibt.
Den Höhepunkt seiner Betrachtungen bildete Wladimir Makanins Erzählung „Der kaukasische Gefangene“, eine höchstaktuelle Geschichte, die in den unzähligen Kämpfen angesiedelt ist, die im Kaukasus seit vielen Jahren toben. Sie beginnt mit der Erkenntnis: «Die Soldaten wussten wahrscheinlich nicht, dass Schönheit die Welt rettet, aber was Schönheit ist, wussten beide im allgemeinen schon» .
Die Wirksamkeit des Schönen war auch an diesem Abend im Schloss sehr wohl zu merken, sowohl in einzelnen Texten als auch vor allem in der freundlichen, kenntnisreichen, plaudernden Darstellungsweise von Andreas Tretner, der die Herzen seiner Zuhörer so gut zu erreichen wusste, dass sich nahezu alle Zuhörer die Autoren und die Titel der Bücher aufschrieben, um sie zu kaufen und in Ruhe zu lesen.

 

 

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