Zu Gast beim Kunstverein Hoyerswerda war Jürgen Israel aus Berlin mit einem Essay zu Hans Christian Andersen (1805-1875)

Hans Christian Andersen

Alle Welt kennt Hans Christian Andersen als Märchendichter. Und die Betonung liegt hier wirklich auf „Dichter“. Denn H. C. Andersen erzählt nicht überlieferte Geschichten neu, sondern er erfindet sie mit einer übersprudelnden Phantasie und unzähligen spannenden Nuancen. Angesiedelt sind sie immer an ganz realen Standorten, sehr häufig in Dänemark, wir erinnern uns an „Der Kleine und der Große Klaus“, „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzchen“, Das hässliche Entlein“, „Die kleine Meerjungfrau“, darüber hinaus aber kommt man mit ihnen durch die ganze Welt. So in „Die Schneekönigin“ oder im „Fliegenden Koffer“ und in „Des Kaisers neue Kleider“. Denn Hans Christian Andersen war ein unsteter Reisender.
Geboren 1805 in der kleinen Stadt Odense auf der Insel Fünen, ist seine Kindheit von Armut und Ausgeschlossensein von Kultur und Bildung geprägt. Er versucht als Vierzehnjähriger und völlig mittellos bis nach Kopenhagen zu kommen, dort will er „berühmt werden“. So ist es in seiner Autobiographie „Das Märchen meines Lebens“ nachzulesen. Er versucht sich am Theater als Schauspieler und schreibt kleinere Theaterstücke, alles ohne Erfolg. Ein reicher Gönner, auf ihn aufmerksam geworden durch seine Hartnäckigkeit, schickt ihn für drei Jahre auf eine Lateinschule. Danach versucht sich Andersen in den verschiedensten literarischen Formen und erst als seine „Märchen für Kinder“ erscheinen, wird man auf ihn aufmerksam, besonders in Deutschland wird er populär. Allerdings sind die Übersetzungen ins Deutsche sehr an den Stil der Grimmschen Märchen angelehnt und es fehlt ihnen etwas von dem eigenwilligen ironischen Erzählstil Andersens, der für Kinder und Erwachsene gleichermaßen gedacht ist.
Andersens Reiseerlebnisse finden sich in seinen Romanen, seinen Märchen und seinen Reisebildern wieder. Die bekanntesten Reiseschilderungen sind „In Schweden“ und „Dresden und die Sächsische Schweiz“. Auch hier wird Reales mit Phantasie und Märchenhaftem vermengt und es entstehen sehr eindrucksvolle schöne Erzählungen, in denen Geist und Natur zu einer Einheit verschmelzen. Obwohl in der Zeit der europäischen Romantik aufgewachsen, ist er weit davon entfernt, das Vergangene zu verherrlichen. Er lebt im Heute, liebt alle technischen Neuerungen, glaubt immer, geradezu ins Märchenland zu fahren, und doch ist es die Wirklichkeit. So liest sich auch seine Autobiographie: „Mein Leben ist ein hübsches Märchen… mein Schicksal hätte nicht glücklicher, klüger und besser geleitet werden können.“ Und trotz aller Ehrungen mit denen er schon zu Lebzeiten überhäuft wurde, hat Hans Christian Andersen seine Herkunft nicht vergessen und ist ein sozialer Mahner geblieben, er fordert für jeden das Recht zum Leben, er verlangt, dass niemand aufgrund von Armut auf Kultur und Bildung verzichten muss.
Auf die europäische Literatur hat Andersens Schaffen und Philosophie einen unverkennbaren Einfluss ausgeübt. Und die Zuhörer werden nach diesem Abend außer den Märchen auch Romane und Reiseberichte des berühmten Dänen wieder einmal zur Hand nehmen und sich zu „realen Märchen“ verführen lassen.

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