Die Literaturwissenschaftlerin Dr. Sigrid Töpelmann, Berlin, stellte Günter de Bruyn (geb. 1926 in Berlin), sein Werk und seine Erzählweise am Schlosskamin vor

Sigrid Töpelmann

Vergessen ist ein zweischneidiges Schwert. Es gibt Ereignisse im Leben, die möchte man gern vergessen, weil sie mit Schuld und Versagen zu tun haben und es gibt Dinge, die fallen dem Vergessen anheim, obwohl sie des Bewahrens wert sind, denn der Mensch ist vergesslich, wenn es ihm gut geht.
Günter de Bruyns literarisches Werk durchzieht ein Faden, den man den des Bewahrens vor dem Vergessen benennen könnte, Bewahrung der individuellen Geschichte und Erinnern der Geschichte anderer. Die eigene Person und alle Agierenden seiner Dichtungen sind genau beobachtet,„gedreht und gewendet, immer wieder“ bis sie zur literarischen Figur werden und allgemein Gültiges entsteht.
De Bruyn beginnt seine schriftstellerische Laufbahn sehr spät und wird lange Zeit brauchen bis er ein bestimmender Schriftsteller der DDR-Literatur wird, und auch nach der Wende wird er ein berühmter bleiben. Das alles erzählt Dr. Sigrid Töpelmann sehr lebendig und mit ganz persönlichen Erinnerungen gespickt, die es eigentlich auch wert sind, nicht vergessen zu werden.

Dr. Sigrid Töpelmann, Literaturwissenschaftlerin, Berlin

Sie kennt alle Werke de Bruyns akribisch genau, kennt deren Stärken und Schwächen und weist immer wieder auf die allen Erzählungen und Romanen innewohnende poetische und satirische Erzählweise hin. Am meisten schätzt sie den Roman „Buridans Esel“, erschienen 1968. Die Metapher des mittelalterlichen Philosophen Buridan, in welcher sich ein Esel nicht zwischen zwei Heuhaufen entscheiden kann und deshalb verhungert, dient hier einer Dreieckgeschichte als Muster. Der Bibliothekar Karl Erp führt das Leben eines „Wohlstandskommunisten, dem zu Haus und Auto noch die Geliebte fehlt“. Nachdem diese in Fräulein Broder gefunden ist, bewegt sich Karl Erp unschlüssig zwischen der Ehefrau und der Geliebten hin und her bis er letztendlich erfahren muss, dass beide Frauen ihren eigenen Lebensweg gefunden haben, er aber von einer Emanzipation nur träumen kann. Vor dem Vergessen bewahrt hat de Bruyn in dieser Geschichte vor allem den Alltag des Durchschnittsbürgers in der DDR, dem die sozialistischen Ideale durch den Wohlstand allmählich abhanden kommen.
„Zwischenbilanz“ und „40 Jahre, ein Lebensbericht“, beides Autobiographien de Bruyns zeugen auch von dem Nichtvergessenkönnen eigener Schuld, die hier ganz bewusst öffentlich gemacht wird.
Mit dem Roman „Märkische Forschungen“(1978) beginnt sein Bemühen zur Bewahrung von märkischer Geschichte, Landschaft und Kultur, welches sich in „Die Finkensteins“(1999), Preußens Luise“(2001), „Unter den Linden“(2002) und „Abseits“(2005) fortsetzt.
Als besonderes Leserlebnis wird den Zuhörern „Das Leben des Johann Paul Friedrich Richter“ - genannt Jean Paul (1763-1825) wärmstens empfohlen. Dieses Buch ist bereits 1975 im Aufbauverlag erschienen, enthält viel Wissenswertes über Jean Paul und seine Zeit und gewährt auch dem „Literaturnormalverbraucher“, der die Werke Jean Pauls kaum im Original kennt, Einblick in das literarische Werk eines Mannes, der wie de Bruyn mit Humor und „Tausend und einer Narrheit“ die Menschen glücklicher (nicht glücklich) machen will.
Na dann, viel Spaß beim neu und wieder Entdecken von Günter de Bruyn.

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