Gespräch am Kamin mit Jürgen Israel, Berlin, anlässlich des 200. Geburtstages von Eduard Mörike (1804-1875)

Geboren am 8. September 1804 in Ludwigsburg – da waren Goethe und Schiller schon unerreichbare Größen im deutschen Dichterwald, drängt es Eduard Mörike zur Schriftstellerei. Wie sollte ein junger Mann neben diesen Großen der Literatur etwas Eigenes, Großes schaffen können? Äußert sich Eduard Mörike deshalb nicht vordergründig zu den Ereignissen seiner Zeit, weil er meint, das können andere besser? Es scheint fast so.

Die Lyrik Eduard Mörikes - mit wenigen Worten werden große Bilder und tiefe Gefühle beschrieben, die den Dichter zwischen Freud und Leid zeigen, zwischen Höhen und Tiefen, zwischen Phantasie und Realität -, hat die Zeit überdauert. Der Spannungsbogen wird hauptsächlich durch sein eigenes Erleben erzeugt. Er beschreibt alltägliche Themen, die durch seine Sprache und sein dichterisches Können groß werden trotz ihrer Alltäglichkeit und auch immer die Zeit in der Mitte des 19. Jahrhunderts widerspiegeln.
Drei Frauen werden im Leben Mörikes wichtig, alle finden sich in seinem lyrischen Werk wieder, für sie schreibt er warmherzige helle Strophen, sich selbst hält er eher bescheiden im Hintergrund.
Mörikes Sprache ist vor allem eine musikalische Sprache, die ihre Wurzeln im Schwäbischen hat. Das wird besonders deutlich in seinem schönsten Prosawerk „Mozart auf der Reise nach Prag“. Erzählt wird ein Tag aus Mozarts Leben, als er mit seiner Frau Constanze zur Uraufführung des „Don Giovanni“ nach Prag reist und in einem böhmischen Schloss Rast macht. Die Sprache folgt dem Inhalt wie ein harmonisches Musikstück, das aber in der Begleitmelodie schon den frühen Tod Mozarts ahnen lässt, „weil die Erde den Überfluss, den er verströmt, nicht erträgt.“ Die Erzählung bewegt sich melodisch zwischen „Genießen und schaffen ohne Maß und Ziel“. Mörike spiegelt im Schicksal Mozarts viele seiner eigenen hell-düsteren Lebensmotive wider, bei Mozart überwiegt am Ende die Schattenseite der Existenz, Mörike will in der harmonischen Mitte bleiben.

Jürgen Israel führte die Zuhörer an Hand sehr gut ausgewählter Texte durch Leben und Werk des Dichters, er verhilft zu Erkenntnissen, die die meisten so bisher nicht erfahren hatten und so „flatterte“ trotz des grauen Novemberwetters ein Hauch von Frühling durch das Kaminzimmer. Dieses wohl bekannteste Gedicht Eduard Mörikes:
„Frühling lässt sein blaues Band
Wieder Flattern durch die Lüfte,
Süße wohlbekannt Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land…“

wurden vor allem populär durch die Vertonung von Robert Schumann; auch andere bekannte Komponisten vertonten Mörikes Verse und waren angetan von der Musikalität seiner Sprache.
Parallelen finden sich heute in der Rockmusik, gute, knappe und oft auch gefühlvolle Texte werden einprägsamer durch die Musik und halten sich wochenlang in den Charts.
Trotz einer überströmenden Phantasie bleibt Eduard Mörike ein Realist, und umgekehrt kann die Wirklichkeit seine Phantasie nicht einengen.
So entsteht am Ende trotz eines „holden Bescheidens“ ein unverwechselbares literarisches Werk, das würdig ist, auch noch nach zweihundert Jahren gelesen und gesungen zu werden.

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.