Der XXIV. Teil der Gesprächsreihe Christentum

fand am 02.11.2004 unter der bewährten Leitung von Helene Schmidt zum Thema „Leben und Wirken der Hildegard von Bingen (1098-1179)“ statt. Die Zuhörer tauchen ein in eine Zeit zwischen 1100 und 1200, eine Zeit, die man kaum kennt, aber an diesem Abend sehr lebendig vor Augen geführt wird. Deutschland unter Heinrich dem IV., Konrad, dem III. und unter Kaiser Friedrich dem I. Barbarossa, die Landschaft zwischen Nahe und Rhein unweit von Bingen, Die Zeit ist geprägt von den Machtkämpfen der Kaiser und des Papstes um die Vorherrschaft in Europa, von den ersten Kreuzzügen, aber auch von einem erstaunlich offenen Kunst- und Religionsverständnis. Die Gründung von Schulen und Universitäten, die Entstehung der Zünfte und die Besiedelung Europas haben Hochkonjunktur. In dieser Zeit geht ein 8-jähriges Mädchen, Hildegard von Bermersheim, einer Familie des Hochadels entstammend, als 10. Kind und damit als „Zehnt“, der Abgabe an Gott, in das Kloster Disibodenberg an der Nahe unweit von Bingen. Vom 12. Lebensjahr an bleibt sie aus freiem Willen im Kloster und wird Nonne, nennt sich Hildegard von Bingen. Sie eignet sich das Wissen ihrer Zeit an , beschäftigt sich mit der Heilkraft der Pflanzen, mischt sich in die Politik ein, musiziert und komponiert, veröffentlicht Bücher, die sie selbst mit Bildern verziert. Am Ende ihres Lebens hat sie zwei neue Klöster gegründet, in denen gelehrt und geforscht wird, mehrere Bücher zur Theologie und zur Naturkunde in lateinischer Sprache veröffentlicht, unzählige Musikstücke verfasst. Es gelang ihr, die Klöster gegen Ausplünderung unter kaiserlichen Schutz stellen zu lassen.

Was für eine Frau! muss man aus heutiger Sicht neidvoll anerkennen. Eine Frau, die mit dem Papst, mit Bernhard von Clairvaux, dem Begründer der Zisterzienser in Europa und mit Kaiser Barbarossa korrespondiert. In vielen Nachschlagewerken wird Hildegard von Bingen als Mystikerin bezeichnet, da ihre Schriften von einem tiefen Glauben im Zusammenhang mit visionären Erscheinungen berichten. Ich glaube, dass man ihr damit nicht gerecht wird. Es ist gut möglich, dass sie klug genug war zu wissen, dass sie Ihren Erkenntnissen und Wertevorstellungen nur Gehör verschaffen kann, indem sie diese als direkten Auftrag von Gott weitergibt, ihr übertragen durch überirdische Visionen. Ihr Bild, der „Kosmosmensch“ legt das nahe. Dargestellt ist ein sehr schöner, ein sehr irdischer Mensch, selbstbewusst eingebettet in den Kosmos mit allen Elementen, Feuer und Wasser, Luft und Erde. Was ihn trägt und schützt, ist der Glaube.

Bei Hildegard von Bingen geht es immer um ein ganzheitliches Denken innerhalb der Schöpfung. Der Mensch als Teil der Schöpfung ist aber gleihzeitig auch verantwortlich für den Erhalt derselben, „weil er mit den Flügeln seiner Vernunft lebendig ist, die übrige Kreatur aber stumm.“ Das hört sich sehr tatkräftig und modern an, so gar nicht mystisch. Ebenso lesen sich ihre Aussagen zu den Lastern des Menschen, wie Habsucht und Lüge und zum Stumpfsinn als träge und faule Lebensart, die wie ein Lufthauch daherkommt und die „Früchte der Erde trocken macht.“

Ein, wie immer, sehr gelungener Abend mit Helene Schmidt, der zum Weiterlesen und Nachdenken anregte.

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.