. . . für die schauspielerisch überragende Darstellung der Brigitte Reimann

Am Freitagabend präsentierte der deutsch-französische Kultursender ARTE den Film „Hunger auf Leben“, der im vergangenen Jahr im Auftrag von MDR entstanden war. Unter der Regie von Markus Imboden, Schweiz, gestaltete Martina Gedeck Szenen aus dem Leben der Schriftstellerin Brigitte Reimann.

Hoyerswerda. Die Grundlage für den Film sollten die Tagebücher der Autorin bilden, das Drehbuch von Scarlett Kleint ging damit recht frei um, außerdem litt der Film unter der Entscheidung, dass seine anfangs geplante Länge von zwei Teilen auf einen „Einteiler“ verkürzt wurde.

Markus Imboden, der sich mit Martina Gedeck Anregungen in der Hoyerswerdaer Ausstellung „Brigitte Reimann in Hoyerswerda und Schwarze Pumpe“ und deren Gestaltern holte, unternahm es, offensichtliche Fehler des Drehbuches, zahlreiche Klischees üblicher Fernsehproduktionen und Mängel an Authentizität auszugleichen. Unterstützt wurden sie von exzellenten Darstellern aus Ost und West, z.B. Jutta Wachowiak als Mutter Reimann, Ulrich Mühe als Lektor, die in Hoyerswerda keine Fremden sind.

Schauspielerisch überragend zeigt Martina Gedeck den Weg Brigitte Reimanns aus Burg bei Magdeburg nach Hoyerswerda, von der schreibenden Lehrerin zur anerkannten Schriftstellerin. Kurze Zitate aus ihren Erzählungen „Die Frau am Pranger“, „Ankunft im Alltag“, „Franziska Linkerhand“ und immer wieder Selbstmitteilung aus den Tagebüchern lassen das Anliegen dieser Schriftstellerin, ihr Ringen um Ausdruck für das, was sie bewegt, deutlich werden. Das Zeitbild der früheren DDR wird nicht ausgeblendet, wenn auch die Bedrängungen durch die STASI anhand des dokumentarischen Materials eindeutig überzeichnet - in Bezug auf den dritten Ehemann Reimanns auch höchst fragwürdig sind.

Es fehlte wohl an Durchsetzungskraft.

An diesen Stellen konnte sich die um Wahrhaftigkeit bemühte Regie offensichtlich nicht gegen die Drehbuchautorin und die Dramaturgie durchsetzen, zumal bei diesem Anliegen - meiner Meinung nach - die Unterstützung der MDR-Leitung zu fehlen schien. Martina Gedeck hatte nach den Gesprächen in unserer Stadt im eigenen Interesse selbstständig Brigitte Reimanns Lieblings-Bruder Ludwig in Hamburg, Helmut Sakowski, den treuen Freund, und Irmgard Weinhofen, die langjährige Freundin, besucht. Vermutlich fragten Drehbuch und Dramaturgie mehr nach Einschaltquoten.

Der Versuch, einige Szenen in Hoyerswerda aufzunehmen, musste aufgegeben werden, da sich in der Stadt nicht die Umgebung einer Baustelle der Sechzigerjahre fand bzw. herstellen ließ. Hoyerswerda ist zu grün, eine inzwischen zu schöne Stadt, so die Filmarchitekten und der Regisseur. Man hätte reihenweise Bäume absägen und Rasen mit Sand bedecken, Spielplätze zerstören und Fassaden verändern müssen. Nehmen wir diesen Verzicht als Lob für die Neustadt, an dem sich auch Brigitte Reimann gefreut hätte.

Dennoch lebt unsere Stadt in dem Film. Brigitte Reimann verbrachte hier ihre intensivsten Schaffens- und Lebensjahre, sie wurde „die Stadt der Franziska Linkerhand“, von der in England, Holland, Frankreich, Finnland und anderen Orten gesprochen wird, wie Briefe belegen. In Schwarze Pumpe und Boxberg wurde die Industrielandschaft des Filmes festgehalten.

Vieles in der Stadt zeigt sich heute, dreißig Jahre nach B. Reimanns Tod, in der Gestalt, die sich die einst rebellische Autorin wünschte. „Kann man in Hoyerswerda küssen?“, fragte sie damals angesichts fehlender Straßen, Kultur- wie Sozialeinrichtungen und kahler Freiräume. Angesichts des Filmes und unserer Stadt kann man diese Frage heute nur bejahen und in eben der Weise sollten wir Martina Gedeck und Markus Imboden für die Vermittlung dieser Erkenntnis danken.

Hinweis: Am 1. September um 20.15 Uhr zeigt die ARD den Film noch einmal.

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