Die stillen Winkel des Lebens, die anklagen, überlaut.

Im Rahmen des Grenzgänger-Projektes der Robert-Bosch-Stiftung Bonn liest Oliver Bottini aus seinem Roman "Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens" beim Hoyerswerdaer Kunstverein. Mirko Schwanitz moderiert nach gründlicher Vobereitung kompetent, wie immer.

Oliver Bottini und Mirko Schwanitz zur Lesung beim Hoyerswerdaer Kunstverein 2019, von links.Wie lässt sich Kritik am Zeitgeschehen für einen Schriftsteller medienwirksam darstellen? Am besten in einem Kriminalroman.
Genau dieses Ziel verfolgt Oliver Bottini seit vielen Jahren mit Erfolg. Seine Krimis verortet er zum Beispiel in die Verwirrungen der Jugoslawienkriege oder nach Algerien in einen deutschen Rüstungskonzern.
Sein Roman "Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens" kritisiert den Umgang mit Ackerland nach 1989 in Mecklenburg-Vorpommern und in Rumänien. Seine Protagonisten sind Jörg Marthen und Michael Winter aus Penzlin in Mecklenburg und der Polizeihauptkommissar, Ioan Cozma, im rumänischen Temeswar. Jörg Marthen will aus Rache sein Land, das in der DDR in die LPG eingegliedert wurde, nicht zurückkaufen und kauft deshalb Land in Timis in Westrumänien und führt dort erfolgreich einen landwirtschaftlichen Betrieb. Sein Freund Michael Winter kommt zu ihm, nachdem seine Familie bei einer Ferienfahrt auf der Autobahn nahe Rostock in einem Sandsturm ausgelöscht wurde. Auch in den stillen Winkeln des Lebens, auf den Feldern, sind die Menschen genau so abhängig von seelischen Brüchen und gesellschaftlichen Zwängen wie in den großen Städten. Jede Figur bei Oliver Bottini schleppt in schmerzlichen Erinnerungen einen ganzen Roman mit sich herum.
Zuhauf sind nach 1989 Investoren unterwegs, die in Mecklenburg- Vorpommern und in Rumänien Land in Größenordnungen kaufen, die die gesellschaftlichen Strukturen und damit das Leben auf dem Land zerstören, der Boden wird zur globalen Handelsware, man nimmt Förderungen aus der EU in Anspruch, erpresst die kleineren Betriebe, scheut vor Angstszenarien und Mord nicht zurück.
In Temeswar ermittelt Ioan Cozma den Tod von Lisa, der Tochter von Jörg Marthen. Was auf den ersten Blick nach einer Beziehungstat aussieht, steht im Zusammenhang mit Erpressung der großen Investoren gegen Jörg Marthen, der in Rumänien nicht schon wieder sein Land verlieren will und dessen Tochter eben nur ein bisschen Angst eingejagt werden sollte.
Ioan Cozma war bereits unter Ceausescu im Polizeidienst, er war schuldig geworden durch unerlaubte Methoden, um Geständnisse zu erpressen. Er war sich sicher, dass die jungen Leute, die er verhören musste, an faschistischen Aktivitäten beteiligt waren. Nun sucht er den Mörder von Lisa. Es ist ein junger rumänischer Arbeiter von Jörg Marthen, der gedungen wurde, um Lisa Angst einzujagen, was für ihn zum persönlichen Alptraum wird ihn zum Möeder macht. Er flüchtet nach Deutschland. Die Schauplätze wechseln nun zwischen Temeswar und Penzlin.
Weitere Straftaten folgen, am Ende wird Jörg Marthen nach Deutschland zurück gehen und Michael Winter ebenfalls. Werden sie es schaffen, ihr Leben neu zu ordnen? In Temeswar wartet Ioan Cozma auf einen fairen Prozess für sein Verhalten als Polizist unter Ceausescu.
Im anschließenden Gespräch beantwortet Oliver Bottini die Fragen des Publikums so exakt und klar, wie es die Sprache seiner Bücher ist. Mit wenigen Worten kann er einen ganzen Kosmos spannend beschreiben und für den Leser erlebbar machen. Die Thematik des Romans hatte Oliver Bottini gewählt, weil es ihn zornig macht, dass diese Bodenspekulationen, die die Landschaften zerstören, von der EU geduldet und sogar unterstützt werden.
Auch die Schüler einer 11. Klasse im Foucault-Gymnasium konnte er am Vormittag mit seiner klaren, kritischen Sprache überzeugen. Er ließ Gruppen von zwei oder drei Schülern innerhalb von 15 Minuten den Anfang für eine Kriminalgeschichte erdenken und aufschreiben, was sie erstaunlich gut meisterten. Wen wundert es, allesamt mit brandaktueller Thematik, mit einem Blick, der hinschaut, wenn Unrecht geschieht.

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