Ist Regieren ohne Vorteilsnahme möglich?

Uwe Jordan liest aus dem Roman "Regierung" von B. TravenUwe Jordan liest aus dem Roman "Regierung" von B. Traven beim Hoyerswerdaer Kunstverein.

"Was die Menschen brauchen, ist Organisation und Verwaltung, was sie nicht brauchen, ist die Regierung...", so zu lesen bei B. Traven in seinem Roman "Regierung".
Dieser Roman wurde 1931 geschrieben und ist einer von insgesamt sechs, die zum Caoba-Zyklus des Schriftstellers B. Traven gehören. Caoba, das ist das Mahagoniholz, dass die Indianer oft als Zwangsarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen im Dschungel von Mexiko fällen müssen, was zur Revolte und später zur Mexikanischen Revolution in den Jahren 1910 bis 1920 führt.
B. Traven (1882-1969), der möglicher weise Otto Feige hieß, um 1882 im heutigen Polen geboren wurde, 1919 als Chefzensor der Presse der Räterepublik verhaftet wird, fliehen kann und nach einer langen Odyssee in Mexiko ankommt und bleibt. Er wird Zeit seines Lebens aus seiner Herkunft ein Geheimnis machen. Er begründet es damit, dass der Mensch in seinem Werk zu erkennen sein muss, ist dies nicht der Fall, dann sind Mensch und Werk nichts wert. Alle seine Bücher sind deshalb ein klares Bekenntnis zur Menschlichkeit und sind eine Anklage gegen jede Art von Menschverachtung und Vormachstellung der Stärkeren gegenüber den Schwächeren. Zu den bekannten Titeln, die in unzählige Sprachen übersetzt wurden, gehören neben dem Caoba-Zyklus viele weitere, wie "Die Baumwollpflücker", "Das Totenschiff", "Der Schatz der Sierra Madre", "Die weiße Rose".
Uwe Jordan hatte nicht umsonst den Roman "Regierung" für seine Lesung ausgewählt. In der Vorrede ist zu hören, dass die Verwaltung des Staatswohls in den seltensten Fällen wirklich das Wohl des Volkes im Blick hat, obwohl man öffentlich von einer "weisen und wohl geordneten Organisation" spricht. Nebenbei hat der Jefe Politico, der jeweilige politische Führer, eine große Schar von Brüdern, Neffen, Freunden, Schwägern und Gevattern mit politischen Ämtern zu versorgen, damit sie ebenfalls am Volk verdienen können.
Die Handlung des Romans beschreibt diese ewige Wiederkehr von Machtaneignung und Machtverlust am Beispiel des relativ unabhängigen Indianerdorfes Bujvilum am Rande des Dschungels von Mexiko. Seine Bewohner leben von dem, was der Acker liefert und vom Verkauf ihres Viehs. Der Dschungel bietet ihnen in allen widrigen Situationen Schutz. Am besten leben sie, wenn sie von der Regierung vergessen werden. Doch das bleibt selten so, gelegentlich besinnt sich ein Jefe Politico, dass es da einen Ort gibt, wo ein Freund als Sekretär seinen üppigen Lebensunterhalt verdienen könnte, wenn er fleißig genug wäre, diesen bei den Indianern in Form von Steuern einzutreiben, die er selbst bestimmt. Ein Teil davon ist selbstverständlich für das noch üppigere Leben des Jefe Politico bestimmt.
Zu den Fähigkeiten eines Sekretärs gehören Diplomatie und Skrupellosigkeit gleichermaßen. In einer sehr sachlichen, sarkastisch erzählerischen Art wird der jeweilige Neubeginn der neuen Amtszeit eines neuen Sekretärs geschildert, mit dem Bau eines Cabildo, ein Stadthaus mit Amtsstube, Schule, Wohnung für die Familie und, ganz wichtig, mit einem Gefängnis. Den Schulunterricht übernimmt der Sekretär gleich mit und lehrt vor allem den Respekt vor seiner Person und vor dem Staat, wobei die Sitten und Bräuche der Indianer durch Staatsdenken nach europäischem Muster abgeschafft werden sollen.
Die Indianer akzeptieren den Sekretär solange, bis er zu weit geht, sie sich wehren, ihn und sein Vieh töten und seine Familie vertreiben. Das Spiel wiederholt sich in unregelmäßigen Abständen, ein neuer Sekretär, ein wieder aufgebautes Cabildo, weise Reden in Begleitung von Soldaten der Regierung, eine neue Steuer.
Eines Tages, ist es Don Gabriel, der das Amt zur Goldgrube werden lässt, er ist der Liebenswürdige, der Redegewandte, der Klügste auf allen Ebenen der Diplomatie. Er lebt von den Steuern der Indianer, hat reichlich Vieh, darf als einziger einen Laden besitzen und kontrolliert neuerdings auch die Viehhändler. "Das Amt, dass bei Beginn so kläglich ausgesehen hatte, fing an, aus jedem Grashalm Gold wachsen zu lassen."
Die Lesung lieferte genügend Gesprächsstoff für einen Vergleich mit Korruptem in den Regierungen von heute, wobei die Demokratie ebenfalls zu hinterfragen ist.

 

 

 

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