Bewahren der Vergangenheit für eine ungewisse Zukunft

Besuch des Archivs der Akademie der Bildenden Künste in Berlin
Sabine Wolf erläutert die Arbeitsweise ihres Literatur- Archivs der Akademie der Künste in BerlinEs ist eine wissenschaftlich akribische Arbeit, die von einem Archiv, wie dem der Akademie der Künste in Berlin, geleistet wird. Arbeit, die fast keiner bemerkt und noch weniger würdigt. Von dieser Arbeit überzeugten sich der Hoyerswerdaer Kunstverein und seine Gäste bei einem Besuch am Robert-Koch-Platz in Berlin. In die Geheimnisse eines solchen Archivs gab Sabine Wolf spannende Einblicke. Sie ist Leiterin des Archivs Literatur.
Das Archiv der Akademie der Künste übernimmt und verwaltet Nachlass oder auch Vorlass bedeutender Personen aus den Bereichen Bildende Kunst, Baukunst, Musik, Literatur, Darstellende Kunst und Film. Aufbewahrt werden Manuskripte, Briefe und Lebensdokumente der jeweiligen Künstler, es gibt ein historisches Archiv, das bis in das Jahr 1696 zurückgeht, ein Archiv des kulturellen Lebens in Berlin seit 1900 und ein Archiv zur Künstleremigration während des Nationalsozialismus. Hauptbetätigungsfeld sind die Archivalien von Künstlern aus Ost und West ab 1945. Zum Wirkungsbereich des Archivs gehören in Berlin außerdem die Brecht-Weigel-Gedenkstätte und die Anna-Seghers-Gedenkstätte. Die Archivdirektion hat ihren Sitz an historischem Ort am Pariser Platz, dem Sitz der Akademie der Künste bis 1945.
Nach dem Entscheid für eine Übernahme werden die Archivalien gesichtet, chronologisch geordnet und katalogisiert. Bevor sie in ein Depot eingelagert werden können, müssen sie erst einmal in Quarantäne, das heißt, sie werden etwa drei Monate lang Stickstoff ausgesetzt, damit nicht eventuelle Schädlinge auf andere Bestände übertragen werden. Für die Depots wird Stickstoff gleichzeitig als Löschmittel verwendet, da durch übliche Sprinkleranlagen, die mit Wasser arbeiten, im Brandfall der Bestand zerstört werden würde. Insekten, die beim Begehen der Depots hineingelangen könnten, werden durch Lichtinsektenfallen eliminiert. Selbstredend bedarf es einer Klimaanlage mit feststehenden Werten für Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Für die Aufbewahrung der Archivalien sind zudem säurefreie Schübe notwendig und der Zugang zu den Depots ist gewissenhaft geregelt. Dieses Wissen über die Arbeitsweise eines Archivs interessierte besonders die drei Mitarbeiterinnen von Schloss und Museum Hoyerswerda, Kerstin Noack, Nicole Petrick und Boglárka Ilona Szücs, sie blickten ziemlich fasziniert und etwas wehmütig auf so eine fachgerechte Archivierung. Alle drei haben ihr Fach von der Pike auf gelernt und studiert, einen ähnlichen Komfort hätten sie gern für ihre Archive in Hoyerswerda, können ganz so viel allerdings nicht erwarten, wohl aber Unterstützung ihrer Stadt beim Einrichten eines neuen Depots, was den Mindestforderungen eine Archivs entsprechen würde. Die jetzigen Depots erfüllen diese in keiner Weise.
Für die Bibliophilen hatte Sabine Wolf einzigartige Archivalien ausgesucht, von Heinrich Mann, Hans Fallada, Franz Kafka, Günter Grass, Christa Wolf und von Brigitte Reimann. 
Von Heinrich Mann gibt es ein von Hand geschriebenes Manuskript aus dem Jahr 1909 zu dem Roman "Die kleine Stadt", der allerdings erst 1919 nach dem Ende des Kaiserreichs veröffentlicht wurde. Auf einer der Rückseiten befindet findet sich der Anfang zum bekanntesten Werks von Heinrich Mann "Der Untertan". 
Hans Fallada schrieb seinen Roman "Der Trinker" im Gefängnis, aus Papiermangel ist die Schrift ist sehr klein gewählt, sie ist fast unleserlich wie eine Geheimschrift, Korrekturen fehlen fast völlig. Kaum zu glauben. Und zur weiteren Nutzung hat er die Blätter auf den Kopf gedreht und zwischen die Zeilen einen zweiten Roman "hineingeschrieben".
Günter Grass plante die einzelnen Abschnitte der "Blechtrommel" ziemlich genau schon im Vorfeld. Es ist ein handschriftliches Arbeitsblatt erhalten, das 40 Abschnitte mit detaillierten Vorgaben auflistet. 
In den Archivalien von Christa Wolf findet sich für den Roman "Nachdenken über Christa T." eine Seite, auf der sie sich notierte, welche Wortwahl angemessen sei für Richter, Ästhetiker, Philosophen, Männer, Zensoren oder Kriminalisten. Für alle Gäste aus Hoyerswerda eine abenteuerliche Reise in die Vergangenheit von Büchern. Alle Daten des Archivs sind über eine Datenbank im Internet zugänglich.
Einen krönenden Abschluss der Exkursion bildete das Treffen mit Irmgard Weinhofen, der langjährigen Freundin von Brigitte Reimann, die in Berlin lebt und mit ihren 87 Jahren noch immer herzerfrischend von dieser außergewöhnlichen Freundschaft erzählen kann. Der Briefwechsel zwischen ihr und Brigitte Reimann allerdings wird im Reimann-Archiv im Literaturzentrum Neubrandenburg aufbewahrt.

Reges Interesse des Hoyerswerdaer Kunstvereins im Archiv der Akademie der Künste Berlin

 

 

 

 

 

 

 

Irmgard Weinhofen, Bildmitte, die langjährige Freundin von Brigitte Reimann. Die Briefe von beiden sind in dem Buch "Grüß Amsterdam" veröffentlicht.Lesesaal für Besucher im Archiv der Akademie der Künste Berlin

 

 

 

 

 

 

 

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