Joochen Laabs, Berlin stellt sein Buch vor: „Späte Reise“, eine Veranstaltung von Kunstverein und Stadtbibliothek im Johanneum

Joochen Laabs

Was man in den Geschichtsbüchern findet, das sind die Jahreszahlen großer Schlachten, großer Erfindungen oder auch großer Niederlagen. Das kann man später erinnern oder auch nicht. Was aber eine Epoche wirklich ausmacht, das sind die banalen Geschichten in der Geschichte, die kleinen Neuigkeiten hinter den Kulissen;
welche Kosmetika zum Beispiel Kleopatra benutzt hat, wie lange Marie Antoinette brauchte, um Kleidung und Frisur diesen spektakulären Glanz zu verleihen, bevor sie bemerkte, dass sie nicht nur als Püppchen geboren war, warum dem Erfinder des Otto-Motors seine Patente aberkannt wurden oder warum laut Hannah Arendt das Böse bei Eichmann nur einfach banal war?
Joochen Laabs, geboren 1937 in Dresden, ist ein Schriftsteller, der seit 1978 freischaffend in Berlin lebt, der in der DDR bereits dem Schriftstellerverband angehörte und heute dem PEN - Zentrum der Bundesrepublik. Seine Bücher könnte man in diese Banalitäten einordnen, aber gerade diese Kleinigkeiten vermitteln ein genaueres Bild des Vergangenen als alle mit „Action“ ausgestatteten literarischen Ergüsse. Das Buch „Späte Reise“ verarbeitet die Erlebnisse seiner Gastprofessuren, zu denen er 1986, 1991 und 1997 in die USA eingeladen war. Grund für die Einladung waren seine lyrischen Werke, die er dort vorstellen sollte, weil ein Gedicht besonders für amerikanische Studenten ja viel weniger Zeit zum Lesen erfordert als ein ganzer Roman.
Eine Reise in die USA war für einen DDR-Bürger ein vager Traum, die Sehnsucht nach einem Geheimnisvollen außerhalb des Erreichbaren. Deshalb erfüllte ihn dieser Auftrag mit Neugier aber auch mit Ängsten vor einem Versagen, weil so wenig weltgewandt.
Die Vorlesungen hatten zwangsläufig nicht nur die Literatur zum Inhalt. Man fragte nach dem Land, das sich DDR nannte und ein deutsches war. So begann Joochen Laabs über sein Land nachzudenken und reflektierte diese Gedanken in dem Buch „Späte Reise“. Späte Reise deshalb, weil er diese Reise mit 50 Jahren antreten durfte, eine Reise, die die heutige Generation fast schon als Normalität betrachtet.
Man erfährt akribisch genau, was sich in der DDR zugetragen hat an aufschlussreichen Begebenheiten: wie der spätere Professor mit Freunden in aller Herrgottfrühe vor einem Möbelgeschäft Skat spielt und damit mehrere Stunden Wartezeit überbrückt, um beim Öffnen des Ladens als erster eine Bestellung für „Hellerau- Möbel“ aufgeben zu können, die dann doch für die kleine Neubauwohnung viel zu groß sind. Die dazu passenden Sessel machten einen Umweg von Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz über ein Dörfchen bei Cottbus und eine vereiste Autobahn nach Dresden, weil diese Möbel über einen Katalog zu bestellen waren, der nur für die Landbevölkerung bestimmt war. Da kann man sich plötzlich an vieles erinnern, was man ähnlich erlebt hat und fast vergessen. So ist es sehr erfreulich, dass da einer ist wie Joochen Laabs, der es aufgeschrieben hat. Ähnliche kleine Histörchen aus den Jahren 1953, 1961 und 1989 finden sich in dem Buch wieder. Und natürlich Geschichten über die amerikanischen Studenten, die neugierig, aufgeschlossen und durchaus auch kritisch den deutschen Professor befragen. Denn die Studenten in den USA waren bisher ohne die DDR ausgekommen, warum sollten sie diese plötzlich vermissen? So bleibt es möglicherweise ein deutsches Buch, vielleicht sogar „nur“ ein ostdeutsches zur deutsch-deutschen Geschichte.

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