Jürgen Israel, Berlin stellt Dichter vor, die über die Stadt Halle reflektierten, beim Kunstverein am Schlosskamin

Juergen Israel

Die Geschichte der Menschheit weiß vom Kommen und Gehen der Kulturen, vom Entstehen und Verfallen hoch entwickelter Städte, vom Werden und Untergehen der Wirtschaftsstandorte. Ein kleines Exempel davon ist an der Stadt Halle an der Saale ablesbar. Bereits in vorgeschichtlicher Zeit bewohnt, in der wahrscheinlich auch schon Salz gewonnen wurde, ist die Gegend um Halle ein begehrter Siedlungsplatz. 806 lässt Karl der Große zum Schutz des Saale - Übergangs ein Kastell Halla anlegen, die spätere Stadt Halle. 961 wird die Burg Giebichenstein erstmals erwähnt und verfällt später wie die meisten Burgen an der Saale. Vom 11. bis ins 15. Jahrhundert wird Halle eine reiche Stadt: durch den Salzhandel und durch ein gut entwickeltes Handwerk. Mit dem Einzug der Reformation im 16. Jahrhundert gedeihen auch Musik und Kunst in einem neuen Licht. Hier sind die Komponisten Johann Friedrich Reichardt und Georg Friedrich Händel zu nennen, die Halle weltberühmt machen. Im Mittelpunkt des geistigen Lebens steht ab 1694 die Universität. Berühmte Leute kommen nun nach Halle. Unter anderem der Philosoph Christian Thomasius, der erstmals Vorlesungen in deutscher Sprache hält und der Theologe August Hermann Francke. Dieser gründet Waisenhäuser und Schulen für alle, die protestantischen Glaubens sind, die noch heute existierenden „Franckeschen Stiftungen“.
Ab 1830 setzt die industrielle Entwicklung mit dem Braunkohleabbau und der Braunkohleveredlung ein, Kalisalz wird abgebaut, Zuckerrüben werden angebaut, es entsteht eine großräumig angelegte Industrie. Die Stadt der Geisteswissenschaften wird zur Industriemetropole. Halle wird im Krieg stark zerstört und während der DDR-Zeit nur dürftig wieder aufgebaut. Es entsteht Halle- Neustadt als größte sozialistische Stadt.
Jürgen Israel recherchierte unter den Dichtern von Goethe bis in die Gegenwart, was sie über Halle zu sagen wussten. Die Aussagen sind eher nüchtern und kritisch. Goethe äußert sich abwertend über den pietistischen Geist Franckes, der in Halle herrscht, preist aber Halles irdische Schätze, preist das feine Salz, das jeder Tafel huldigt und besucht Vorlesungen an der Universität. Thomas Mann lässt in seinem Roman „Doktor Faustus“ den Komponisten Adrian Leverkühn kurzzeitig in Halle auftauchen und äußert sich wie Goethe, dass in Halle die theologische Luft zu eng zum Atmen ist. Gleichzeitig stellt er Überlegungen an, ob die Arbeiter in den großen Industrieballungen in der Lage sein werden, ein neues Volkstum entstehen zu lassen. Nicht zu vergessen sind auch die Romantiker, vor allem Joseph von Eichendorff, die Halle prägende geistige Impulse geben. Erstmals werden hier Dichtungen angeboten, in denen die Standesunterschiede keine Rolle mehr spielen.
Ricarda Huch findet inmitten der Industriestadt Halle das Händeldenkmal irgendwie am falschen Platz, bedenkt aber, das die Reformation erst die Grundlage für die herrliche Musik Händels geschaffen hat, zeigt damit auch, dass diese Stadt der einzig richtige Boden für diese Musik war. In den Jahren 1927/29 allerdings findet sie ein eher „protestantisches Arbeitsethos“ vor.
Die Nachkriegsliteratur stellt Halle in zwei gegensätzlichen Bildern dar, die einen preisen Halle – Neustadt als eine nach menschlichen Maßen erbaute Stadt, die den Ansprüchen vieler Jahrhunderte genügen wird, die anderen sehen in Halle nur ein obskures Nest, eine „Diva in Grau“. Es ist sicher wie so oft, die Wahrheit liegt dazwischen.

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