Zwischen Jugendstil und zeitgenössischer Moderne

Das Romanische Café in Berlin an der Gedächtniskirche war der berühmteste Künstlertreff der 20-er Jahre. Heute erinnert unweit vom alten Standort nur noch wenig daran.lautete das Thema eines Vortrags, den Christine Neudeck am Donnerstag im Kunstverein hielt. Sie stellte die Entwicklung der Künste in Deutschland vom Ende des ersten Weltkriegs bis zum Beginn der nationalsozialistischen Diktatur vor, deren Ergebnisse seither aus der Geschichte des geistigen Lebens in Europa und weit darüber hinaus nicht wegzudenken sind. Die Fülle an Ideen, Kunst-Stilen, an neu entstandenen Kunstzweigen, auch in Technik, in Formgebung, in den Wissenschaften, der Architektur und dem Städtebau, ebenso in der Philosophie bleiben Grundlagen weiteren Denkens und teilweise auch Maßstab  künstlerischen Schaffens.  Diese These belegte Christine Neudeck am Anfang ihres Vortrags anhand eines  kurze , sehr prägnanten Überblicks, der bereits staunen ließ.                                                                                                                    
Angeregt von Stefan Zweigs Erinnerungen „Die Welt von gestern“  folgte sie dessen These, dass dieser Aufbruch in neue Arbeitsbereiche und Sichtweisen auf die Welt  Zeichen der Befreiung des Lebens und Denkens nach der geistig erstarrten Kaiserzeit und dem Zerstören bestehender Strukturen nach dem ersten Weltkrieg war. Ihren ebenso kurzweiligen wie inhaltlich spannenden Vortrag  lockerte Christine Neudeck zum einen mit wohl ausgewählten Bildern aus Kunst und Zeitgeschehen als auch mit kurzen Zitaten aus Literatur, gelesen von Heidrun Dietrich. Damit wurde die geistige  „Atmosphäre“ jener Epoche ein wenig nachvollziehbar. Dies erhöhte nicht nur das Vergnügen des Zuhörens, sondern erinnerte an eigene Erlebnisse, weckte Erkenntnisse und förderte wohl auch das Erwägen gegenwärtiger Situation. Allein für dieses „Kunststück“ - angesichts der inhaltlichen Fülle des Vortrags - gebührt den beiden Mitgliedern des Kunstvereins höchstes Lob und Dank.                                                     Im weiteren Verlauf stellte Christine Neudeck die einzelnen Kunstgebiete vor – Literatur, Theater, Kabarett, Musik, Tanz und nannte „Entdeckungen“  wie die in Technik und Wissenschaft. Sehr konzentriert nannte sie die wesentlichen Vertreter der  jeweiligen Künste, ohne die Besucher in eine lexikalische Namens-Flut zu stürzen. Proben aus Gedichten von Bert Brecht oder Mascha Kaleko lockerten den Vortrag, sie ließen schmunzeln und träumen zugleich. Jene Zeit war voller Poesie- trotz aller Not,  Armut und brutalen Kämpfen auf den Straßen. Die Künstler mahnten, klagten an  und drängten auf menschliche Lösungen, die sie selbst nicht schaffen können.  Es bleibt Mahnung: Kunst benennt Nöte und Probleme - sie zu lösen ist Aufgabe der politisch Verantwortlichen einer jeweiligen Zeit.  Fehlt allerdings die Brücke  des Gesprächs zwischen diesen Gruppen, dann wird es bedenklich oder schlimm für ein Volk oder mehrere.  Auch dies thematisierten die Künste in jenen Jahrzehnten, erinnert wurde an  Filme, Theater, die Bücher von Heinrich Mann, Erich Kästner, Alfred Döblin, den jungen Bert Brecht oder an  Kabaretts oder Zeitschriften  wie  „Die Weltbühne“ von Siegfried Jacobsohn, Carl von Ossietzky,  Kurt Tucholsky  und anderen Schriftstellern, die diese Aufgabe  wahr nahmen und deren Nachfolger zwei Jahrzehnte bei uns zu Gast waren. Im Vortrag war von Marlene Dietrich, von Max Reinhardt und dem Deutschen Theater Berlin zu hören, deren Künstler und Gestalter  vielen Freunden dieses Kreises als Gesprächspartner  gut in Erinnerung bleiben.                                 Auf diesem virtuellen Spaziergang führte Christine Neudeck fesselnd und begeisternd durch vertraute und neue ‚Gefilde‘.  Zu ersteren gehörte natürlich auch die  Architektur, deren  Entwicklung  immer wieder zu Blicken in unsere Region verlockt: zum Beispiel durch Konrad Wachsmann und dessen Wirken für den Holzhaus -Bau in Niesky;  deren Technologie und  Erfahrungen  dem industriellen Bauen zu Gute kamen. Ein Beispiel ist in der Schulstraße von Hoyerswerda zu bewundern. Erinnert wurde an  das Bauhaus Weimar - Dessau – Berlin als einen Meilenstein moderner Architektur.  Dort führte Richard Paulick das Büro vom Walter Gropius, dem Pionier modernen Bauens. Damit war der Blick auf Hoyerswerda-Neustadt gerichtet, das nicht nur vom industriellen Bauen sondern auch der anfangs verwirklichten Forderung „Kunst am Bau“,  die die Protagonisten des  Bauhauses erhobenen, zeugt. Christine Neudeck zeigte sowohl die großen, immer noch zu bewunderndes Ergebnisse jener Jahre als auch mahnende Kunstwerke von Ernst Barlach, Käthe Kollwitz, Oskar Kokoschka, Max Beckmann und Otto Dix. Dieser anregende Spaziergang weckte Nachdenken über Hoyerswerda. Geschichte ist vor allem Verpflichtung.

Die ersten industriell vorgefertigten Hochhäuser, Architekt Richard Paulick, in HoyerswerdaBauhausarchiv Berlin, gebaut 1979 nach Plänen von Walter Gropius. Es diet dem Erhalt des geistigen Erbes des Bauhauses, dessen Zeit in Dessau nur von 1926-1932 währte.Wachsmann-Haus in Niesky, heute Museum zur Entwicklung der industriellen Fertigung von Holzbauten. Architekt Konrad Wachsmann, der als Jude und linksbürgerlicher Intellektueller emigrieren musste und ein berühmter amerikanischer Professor wurde.

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